Im Pelzmantel unter Palmen. Klingt verrückt? Funktioniert auf der Bühne der Crystal Fighters im Astra Kulturhaus aber astrein. Der Minimalismus des Setdesigns wird in Sekundenschnelle mit brachialer Kostümierung zerschlagen. Dem Publikum gefällt’s. Klar an das Cover des neuen Albums „Gaia & Friends“ angelegt, prangt eine Leinwand mit roter Sonne im Zentrum hinter der Band. Die ist zu beiden Seiten eingerahmt von kurvigen Papp-Palmen, die an den Ikea-Spiegel aus dem Jugendzimmer erinnern. Noch ein paar Kunstpflanzen über die Synths geworfen und fertig ist das Bühnenbild. In diese sommerlich anmutende Szenerie platzt Frontmann Sebastian Pringle im übergroßen, weißen Pelzmantel, der ihn wohl auf einem Trip an den Nordpol noch warm halten würde. Dazu schwingt er selbstverständlich noch einen Palmwedel.
Crystal Fighters heizen ein
Diese Dichotomie passt klar zum Frühlingsanfang, noch besser aber passt sie zum Sound von Crystal Fighters. Denn die klar grenzenübergreifende Londoner Band lässt sich nicht so einfach kategorisieren und ein Genre-Label wollen sie sich schon garnicht überstülpen lassen. Ebenso fliegt bald der schwere Pelz von den Schultern und im Astra vergisst man, dass vor der Tür ja doch noch gar nicht wieder Sommer ist. So bekommt „Boomin‘ in Your Jeep“ vom letzten Sommer an diesem Abend im Astra eine extra Portion Energie verpasst und gibt die direkt weiter an die tanzenden Fans.

Viel Neues und alte Lieblinge
Wer bei den Crystal Fighters noch immer an ihren mittlerweile schon in die Jahre gekommenen Hit „Follow“ denkt wird auch hier nicht enttäuscht. Direkt auf Platz zwei in ihrer Setlist steht er schon. Vom Publikum mit lauter Begeisterung aufgenommen fügt er sich trotz des über mehrere Alben durchaus weiterentwickelten Sounds nahtlos ein.
Mein persönlicher Höhepunkt des Sets der Crystal Fighters im Astra kommt ohne Frage mit „Wild Ones“. Dem Ohrwurm zu widerstehen ist schwer und still halten sowieso. Im goldenen Bühnenlicht gebadet fasst dieser Moment den Auftritt der Band perfekt zusammen. So wild die Genre sprünge auch scheinen mögen, der Rote Faden, der sich durch die Musik der Crystal Fighters zieht, ist und bleibt ihre unverkennbare Positivität.
“We got hearts, hearts they’ll never tame
Crystal Fighters “Wild Ones”
That’s who we are, we’ll burn the night away
We’ll ride this wave, and no we’ll never fall
Can you hear the call, can you hear the call of the wild ones?
With the wild ones, and we rage on
Til we’re blazing in the sun”
Vielfalt auch schon bei den Vorbands
Als wäre das niederreißen von Grenzen das Motto des Abends, überzeugen schon die beiden Vorbands auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
Geheimtipp aus Manchester – Cassia

Cassia bieten ihr absolut Headliner-würdiges Set vor einem halb gefüllten Saal dar. Lücken finden sich in dem, was von der Bühne kommt, aber null. Auch hier springt das Lächeln im Nu auf die Lippen. Die Jungs aus Manchester klingen ein wenig wie Vampire Weekend, sind diesen Vergleich aber sicherlich schon reiflich satt. Wo die Crystal Fighters zwischen den Genres springen, halten Cassia klar die Linie in ihrem poppigen Calypso-Rock. Verspielte Gitarrenriffs und Drum Fills unterlegen den Gesang von Rob Ellis. Der strotzt im Übrigen nur so vor lässiger Coolness. Das vergibt man ihm natürlich gerne. Die vielseitigen Einflüsse kommen zu einem Sound zusammen, der bereits jetzt sehr klar geformt ist und Lust auf mehr macht. Ihr Set beenden sie mit zwei Krachern, „Get Up Tight“ gefolgt von „Loosen Up“.
Das Debüt-Album kann man zwar bislang nur vorbestellen, zu hören gibt’s dennoch jetzt schon einige gute Lieder, die die Vorfreude anfeuern und das Warten verkürzen. Der neueste Song „Small Spaces“ ist ein guter Einstieg, falls ihr Neugierig geworden seid.
Spanischer Rock von Belako

Belako kommen zwischen diesen beiden gute-Laune Garanten mit einem deutlich düsteren Sound daher. Damit überzeugen sie jedoch gleichermaßen. Rockigere Gitarren Riffs motivieren auch das mittlerweile angewachsene Publikum. Die spanische Band hat eindeutig textsichere Fans angelockt und es dauert nicht lange, bis sich ein gesunder Moshpit formt. Fans und Band lassen sich auch nicht dadurch beirren, dass sie im Gegensatz zu Cassia und den Crystal Fighters im Astra ohne dynamisches Bühnenlicht auskommen müssen. Beim letzten Song, „Over the Edge“, der sich gegen sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen richtet, wie uns Frontfrau Cris mitteilt, dürfen dann aber auch Belako kurz in den Genuss von angemessen atmosphärischem Rampenlicht kommen.
Wie ihr Album „Render Me Numb, Trivial Violence“ ist auch an diesem Abend das Set von Belako sehr solide. Die Songs sitzen schon beim ersten hören bequem im Ohr. Ein paar Lieder stechen allerdings durchaus hervor, etwa die Riffs von „Over the Edge“, die treibende Perkussion in „Maskenfreiheit“, oder die Bass Line auf „Something to Adore (Arinau)“. Belako scheuen sich übrigens nicht davor, mit ihrem Sound zu experimentieren, wie man etwa bei „The Fiend Thinker“ hören kann.
Nicht für jeden aber für alle
Ein wahnsinnig vielseitiger Abend bei den Crystal Fighters im Astra also, mit drei Bands, die wohl sehr unterschiedliches Publikum anziehen dürften. Aber eben auch ein solches, das sich genauso wenig wie die Bands selbst in die eine oder andere Schublade stecken lassen möchte.
Die Crystal Fighters touren diesen Sommer noch fleißig durch Europa, Deutschland lassen sie für’s Erste aber hinter sich.
Cassia kommen im September zurück nach Berlin. Die nächsten fünf Konzerte im U.K. sind schon ausverkauft, ein Auge auf die Tickets zu haben, sobald sie verfügbar werden, kann also ratsam sein.
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Fotos: hoers.de