Neulich in der Schweiz, in Zürich. Die Hektik der Großstadt, umgeben von idyllischer Berglandschaft. Und mittendrin: Eine Grunge-Psychedelic-Darkpop-and-so-on-Band: Annie Taylor. Die erfrischend lässige Band um Frontfrau Gini Jungi sorgt zurzeit für Furore in der Rockszene.
Über die Gründung der Band geht folgendes Gerücht um: Irgendwann im Jahr 2016 zwang Gini wohl ihren Mitbewohner zum ersten Musizieren im Wohnzimmer. So lautet zumindest die kryptische, bandeigene Erklärung. Rasch verdoppelte sich das Duo zu einem Quartett, nebst Gini komplettieren Michael Mutter (Bass), Jan Winkler (Drums) und Tobi Arn (Guitar) den coolen Reigen. Zügig folgten Singles wie beispielsweise “Wasted Youth” (2017). Dieser Song klingt für eine junge Band wie diese recht reif. Relativ bald folgten Touren durch die Schweiz, Italien, Frankreich und etliche Supportshows für Größen wie Kadavar oder L. A. Witch. Wir finden: Das deutet auf ein grosses Potenzial mit Leidenschaft am Spielen hin. Und eine ausführliche Rezension ist Pflicht.
Von feministischen Ikonen und musikalischen Crossovern
In der Tat ist es schwierig, die Band in eine Schublade zu stecken. Was uns nicht weiter tangiert, denn solche Talente sehen wir ja gerne. Und Annie Taylor, die schaffen wirklich einen vierfachen Spagat zwischen Grunge und all den anderen Stilen. Zitat von ihrer Facebook-Seite: “`Satan I want to marry you`- Girl grunge meets psychedelic rock with a touch of cheesy darkpop.” Ist doch sonnenklar oder etwa nicht? Weshalb sie sich eine feministische Ikone als Namensgeberin aussuchten, die sich in einem Fass die Niagarafälle runter stürzte – das konnten unsere Recherchen nicht herausfinden. Darum geht es weiter im Text, nämlich zu den nackten musikalischen Fakten.

Grunge + Darkpop + Pychedelic Rock = Annie Taylor?
Auf den ersten Blick ist eine Musikstil-Beschreibung wie diese der Albtraum eines jeden Musikrezensenten. Es lohnt sich, das Quartett aufmerksam mit der Kenner-Lupe zu betrachten. Wir zumindest erkennen die prägnanten Rock-Einflüsse der 70er, 80er und der vom Grunge geprägten 90er. Musikalische Ikonen wie Sonic Youth darf man gerne als Vergleich hinzuziehen. Depressiver Frauengesang wie beispielsweise bei Hole begegnet einem nicht. Generell sucht man tiefe Melancholie wie bei Nirvana oder Soundgarden vergebens.
Party in unseren Ohren
Annie Taylor suchen sich Anleihen aus all den verschiedenen Bands und Genres, ohne diese zu einer Kopie mutieren zu lassen – somit ist Grunge vielmehr eine gelungene Basis ihrer Musik. Gekonnt verbinden sich psychedelische Rockelemente und verspielter Darkpop-Sound und feiern eine Party in unseren Ohren. Die gedoppelten Vocals von Gini schmeicheln angenehm entspannt und leicht die Ohren. Vergleich gefällig? Definitiv The Breeders mit “Cannonball”.
Ungezwungene Kreativität meets dynamische Drums
Mit ihrer EP “Not Yours!” (VÖ 26.04.2019) schaffen es Annie Taylor, sich eine gewisse Selbstverständlichkeit ihrer Kreativität zu bewahren. Grunge-Gitarren ja, Melancholie nein. Sphärische Sounds und dynamische Drums mixen sich gekonnt. Es etabliert sich eine Art Vintage-Sound, welcher an die “good old times” des Rock erinnert: kreativ und energiegeladen nämlich, ohne jeden Weltschmerz. Das geht auch!
Under Your Spell
Angefangen bei “Under Your Spell”, bei welchem die Breeders eindeutig grüßen lassen. Frontfrau Gini`s Vocals wirken immens psychedelisch & sphärisch, passend zu den tief getunten Gitarrenparts. Welche sich wiederum mit 80er-Anleihen von Sonic Youth abwechseln. Kern- und Glanzstück ist für uns das Finale im Mittel des Songs, bei welchem das Tempo in Richtung Grunge rutscht – langsam und schwer nämlich.
Not Yours!
“Not Yours” dagegen glänzt mit Sound, der aus den 70ern entsprungen scheint. Trotz seiner knackigen Laufzeit (03:33) lässt die Band eine psychedelische Dramatik à la King Crimson aufleben. Natürlich nicht, ohne dem Ganzen mit einem Schuss Pop – insbesondere mit dem schwebenden Gesang von Gini – ihren eigenen Stil-Stempel zu verpassen.
Aerglo – Rock & Roll pur
“Aerglo” ist beinahe ein instrumentales Stück. Den glockenhellen Gesang der Frontfrau hört man lediglich die ersten zwei Minuten. Der Rest ist ein feines Meisterwerk, mit einem Psychedelic-Rock-würdigen Gitarrensolo. Dies übrigens teils repetitiv und teils Rock & Roll pur. Der Bass fällt hier besonders (positiv!) auf. Auch hier schaffen Annie Taylor einen Stilbruch! Passagenweise ist sogar ein Einschlag von The Cure zu hören.
Ein spaciger Schnellstart mit Satan
Zusammengefasst sehen wir in Annie Taylor eine Grunge Band mit einigen Gitarrenriffs an Potenzial. Zweifellos steht Gini & Co. eine glänzende Rock & Roll und Post-Grunge geprägte Zukunft bevor. Wer einen solch spacigen Schnellstart innerhalb von 3 Jahren hinlegt, könnte mehr als bloß Glück haben. Einerseits umweht die Vier der Spirit von historischen Rock-Genres. Andererseits wirken sie erfrischend neu und machen Lust auf mehr. Wie Satan wohl dazu steht? Wir lassen es euch zu gegebener Zeit oder beim ersten Album von Annie Taylor wissen.