“Hier hinten darf man auch rauchen” ist das erste, was die beiden Jungs von Wanda sagen. Wir trafen Marco Michael Wanda und Manuel Christoph Poppe vor kurzem im Café Cord in München für ein Interview, in dem wir mit ihnen über das Leben als “Rockstar-Opis,” ihr neuestes Album und die bevorstehende Tour gesprochen haben. Bei Wanda denkt man an viel Schnaps und an Bologna. Man denkt auch an verrauchte Kneipen (check) und an Sehnsucht. Mit ihrem vierten Album, das den unklaren Namen Ciao! trägt, gehen die Wiener im nächsten Jahr auf große Tour. Aber erstmal wird geprobt.
Das Album Ciao! kam im September raus, die Tour beginnt im Frühling. Was macht ihr zur Zeit?
MARCO: Eigentlich vorbereiten, aber wir sind ganz schlecht im Proben. Wir haben auch die letzten Jahre eigentlich nie geprobt. Wanda ist eine Band, die funktioniert ausschließlich über den Kontakt mit Menschen. Im Proberaum, das ist eher eine lästige Pflichtübung für uns. Und jetzt haben wir Probetermine, das heißt jetzt werden wir proben für diese Tour.
MANUEL: Der erste Termin ist schon mal blockiert mit Aufbau. Da sind wir schon mal abgewendet vom Proben. Der zweite ist dann schauen, was man so aufgebaut hat.
MARCO: Dann rauchen, dann wird drei Tage später vielleicht mal ein Lied gespielt.
MANUEL: Und dann eine Set-List geschrieben, die dann wieder verworfen wird.
Wie oft probt ihr denn?
MARCO: Wir haben jetzt fix 8 Einheiten, bis Februar. Aber es gibt ja noch andere Positionsbereiche. Es wird wieder mal eine sehr, sehr große Tour. Vom Licht bis zum Equipment muss man sich ja auch um ein paar Sachen kümmern. Ansonsten scheiß‘ ich mir jetzt einfach 4 Monate in die Hose.
Ihr zieht in der kommenden Tour von den großen Hallen in die richtig großen Hallen. Wie fühlt sich das an?
MARCO: Zum Teil in wirklich noch größere Hallen, ja. Ich muss ehrlich sagen, irgendwann ist es dann völlig egal, ob das 7.000 Menschen oder 12.000 sind. Wir haben da Dimensionen erreicht, die ich immer noch gar nicht verarbeiten kann. Wir machen das, weil irgendjemand gesagt hat macht das doch.
MANUEL: Der Zenit ist es nicht, das wird noch größer.
MARCO: In dem Moment, in dem man für so eine Tour in den Bus steigt, setzt sich ein Rausch in Gange und eine Wahrnehmungsverzerrung, die mich über so etwas gar nicht nachdenken lässt. In welchem Rahmen oder wie groß oder klein das dann ist, ist mir dann auch völlig egal. Es ist eine ganz eigene Art, die Welt zu erfahren. Viel mit Leidenschaft und Extase, aber auch viel mit großen Fragezeichen verbunden. Warum kommen in Gottes Namen so viele Menschen, um das erleben zu wollen. Man hat alle Gefühle auf Tour. Von wirklich viel Spaß zu stillen, demütigen Momenten, wo man sehr mit sich und Gott kommuniziert – was mach ich da und warum darf ich das machen?
Durch eure deutschsprachige Musik seid ihr, trotz eurer Größe, vorwiegend auf den deutschen Markt eingegrenzt. Wie geht’s jetzt weiter, wie stellt ihr euch die Zukunft vor?
MARCO: Die Platte ist eigentlich gefloppt und wenn die nächste auch floppt, dann sind wir weg, dann ist’s vorbei. Aller Druck lastet auf der nächsten Platte.
MANUEL: Wenn sie nicht floppt dann gehen wir auf Stadiontour.
MARCO: Sollten wir noch mal einen so großen Hit haben, dann kann man vielleicht irgendwann an was noch Größeres denken. Aber im Moment bin ich sehr darum bemüht, wie im Fußball, nicht abzusteigen. Das wäre schon das Größte. Und ja, in nachdenklichen Momenten, wenn da oben alles richtig funktioniert und man es auf eine gute Weise betrachtet, was man die letzten Jahre alles gemacht hat, dann bleibt natürlich bestehen, dass das was wir erreicht haben und erlebt haben uns ja auch niemand jemals wegnehmen kann. Wenn das Ding irgendwann zusammenbricht, dann meine Güte. Koffer packen und in eine andere Lebensphase. Was hier passiert ist und was unseren Charakter verändert und geprägt hat, das kann man nicht mehr rückgängig machen. Das war bis hierhin schon eine unglaubliche Lebenszeit, die ich mich nicht mal getraut hätte, mir zu erträumen.
Du hast gerade gesagt das Album ist gefloppt… ist Ciao! ein Abschied oder eine Begrüßung? Und von was?
MANUEL: Es ist in erster Linie ein Albumtitel. Ein prägnanter und catchiger.
MARCO: Ich wollte die Illusion erwecken, dass wir uns auflösen, um ein paar Platten mehr zu verkaufen. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich konnte diese Lüge auch nicht durchziehen. Dazu bedeuten wir auch den Menschen viel zu viel. Mit sowas soll man auch gar nicht spielen. Und Ciao! kann so viel heißen, Abschied von einer Lebensphase, Begrüßung einer neuen. Das ist ein merkwürdiger Zwischentitel. Es ist auch ein Zwischenalbum, es steht zwischen den Extremen. Dem ur-großen Erfolg und der ungewissen Zukunft. Da schien mir das ganz passend, mit einem Wort zu spielen das zugleich Begrüßung und Abschied bedeuten kann.
Wenn ihr euch jetzt vor 10 Jahren sehen könntet, was würdet ihr eurem Selbst von damals mit auf den Weg geben?
MARCO: Eigentlich gar nichts. Ich würde auch die Schattenseiten der letzten Jahre nicht bereuen wollen. Sehr vieles von dem was nicht gut war, war unglaublich wichtig und nur eine Antwort auf das, was extrem gut war. Und selbst wenn ich mir etwas auf den Weg mitgegeben hätte, in diesem Irrsinn der letzten Jahre hätte ich das vergessen. Es haben sich mit einer solchen Macht und einem solchen Gewicht neue Lebensumstände in unser Leben geschoben. Gegen sowas ist man dann eigentlich machtlos. Aber ich bin stolz, dass wir es überlebt haben, dass wir gesund und bei Verstand geblieben sind und dass es uns nicht sonderlich verändert hat. Wenn dann hat es uns nur ruhiger gemacht, nachdenklicher.
MANUEL: Ich hätte alles, was ich mir gesagt hätte, vor 10 Jahren erst recht nicht befolgt. Ich will sogar sagen, durch das was ich mir vor 10 Jahren nicht mitgegeben habe ist auch viel Gutes passiert. Die Ratschläge hätte man erst recht nicht befolgt. Ich bin dankbar für alles was ich mir nicht mitgegeben habe.
MARCO: Es hätte vielleicht auch was verhindert. Wir waren so geil jung und hungrig und wahnsinnig und auf der Suche nach Kicks und Extremen und das hat das ganze Ding auch dorthin gebracht wo’s ist. Jetzt fühle ich mich wie ein 32 Jahre alter Rockstar-Opi. Ich würde nur sagen „Bub, iss g‘scheid und nimm nicht so viele Drogen und sauf nicht so viel.“
MANUEL: Da hätten wir erst recht mehr genommen.
MARCO: Ja und wahrscheinlich hätten wir dagegen rebelliert. Es war schon gut so, dass wir die ersten Jahre so schonungslos und wie ein Idiot aufs Gas gestiegen sind, anders hätte das nie funktioniert. Um sich in diesem Geschäft durchzusetzen muss man wahnsinnig verrückt und exzentrisch sein.
Was sind diese Schattenseiten, von denen du sprichst?
Ich glaube etwas, das man als Schattenseite bezeichnen kann ist, dass Teile des Geschäfts plötzlich aufkommen die nichts mit dem zu tun haben, was man sein Leben lang am liebsten gemacht hätte. Natürlich geht’s in erster Linie um die Musik, aber es geht natürlich, wenn es sich professionalisiert, auch um andere Dinge. Es geht um Geld, es geht um Verträge, es geht um Wirtschaft. Das sind alles Dinge mit denen wir gar nichts anfangen können, wir quälen uns da seit Jahren durch und es ist ein Wunder, dass es funktioniert. Das ist auch zum Teil unserem Schlagzeuger zu danken.
MANUEL: Der Lukas Hasitschka
MARCO: Der hat da einen gewissen Überblick, ohne den wir überhaupt kein Geld mehr hätten. Man ist halt Musiker. Ich weiß noch, wie wir die erste Abendkassa selbst gemacht haben in diesen kleinen Club Touren am Anfang. Wir haben immer gleich die Gage versoffen. Irgendwann meinte Christian, unser Keyboarder: „Wahnsinn, was für ein Scheiß, warum war ich in der Schule? Ich hab‘ nichts über das gelernt was ich jetzt mache, wer braucht das alles?“
Hat die Stadt Wien euch dazu angeregt, Musik zu machen?
MARCO: In Wien war ich eher mit schlechter Musik konfrontiert. Die Bands die gespielt haben als wir begonnen haben, auf die haben wir herabgeblickt. Die waren Schmutz. Die haben nichts zu sagen gehabt, das war alles immer so ein gegockel und ich hab das immer gehasst, diese Musiker die in kleinen Clubs spielen und dann wie die Stars reinkommen und dann spielen sie vor ihren Freunden und dann flirten sie mit der Kellnerin, wir fanden das so widerlich. Aber mich hat Wien in seiner musikalischen Historie berührt. Ich bin oft durch die Wiener Innenstadt gegangen und hab mir gedacht, Wahnsinn da ist der Mozart spaziert und da hat er in der Früh gekotzt vom Schnaps und dann ist er nach Hause und hat noch ein Lied geschrieben. Diese Historie ist etwas, das mir Mut gemacht hat Musik zu machen.
Gibt es zur Zeit Bands aus Österreich die wir unbedingt hören sollen?
MANUEL: Voodoo Jürgens
MARCO: Ja, mit neuem Album gerade. Fantastische Platte. Nino aus Wien.
MANUEL: Pauls Jets, die sind super.
Pauls Jets sind ja auch bei Stefan Redelsteiner, mit dem ihr quasi groß wurdet…
MARCO: Ja, wir sind die ersten 3 Jahre miteinander gegangen. Da haben wir noch einen Plattenvertrag unterschrieben, in einem Beisl. Mit viel Schnaps.
Ihr singt viel von Schnaps. Trinkt ihr denn so viel davon?
MARCO: Nicht mehr, damals schon. Das war sehr gemeint. Das ist wie ein Rapper, der rappt über seine Lebensrealität, das war Teil unserer Lebensrealität. Aber ich trink‘ nicht mehr so viel. Ich möchte das schon noch ein paar Jahre machen.
Was ist eure Lebensrealität heute?
MARCO: Irgendwo immer noch ordnen, was da eigentlich passiert ist. Das wird vielleicht ein ganzes Leben brauchen das zu begreifen, aber ich bin in einer sehr nachdenklichen Phase.
MANUEL: Vielleicht nicht nur überleben, sondern auch damit gut leben. Nicht überrollt werden und nicht nur im Staunen gelähmt und paralysiert sein, sondern was damit anfangen, was Gutes daraus machen.
MARCO: Nicht das Geld zum Dealer schleppen, sondern vielleicht mal in ein schönes Hotel.
MANUEL: Es ist nicht Geld und Ruhm, man muss schon damit auch was anfangen können.
Ihr wollt in euren Songs bewusst nicht über politische Themen sprechen, aber macht ihr außerhalb etwas, engagiert ihr euch?
MARCO: Ich finde nicht heraus, für was ich mich engagieren sollte. Ich halte das ein bisschen für eine Farce. Ich finde das ganz toll, wenn Menschen eines Morgens aufwachen und sagen „Mein Gott, die Welt hat mir das Leben geschenkt und ich möchte irgendwo was zurückgeben.“ Aber ich hab‘ das Gefühl ich habe die letzten Jahre sehr viel von mir selber gegeben. Ich kann in den Spiegel schauen und sagen, „Boah, du hast einen Teil deiner Seele fremden Menschen geschenkt“ Und das muss irgendwie reichen. Für mich reicht es.
MANUEL: Zu kommunizieren, was man spendet und für wen man sich einsetzt ist meiner Meinung nach nicht die Aufgabe unseres musikalischen Daseins oder unseres Berufs. Das macht die Privatperson, nicht der Musiker.
Als Musiker hätte man natürlich ein gutes Sprachrohr…
MARCO: Ja, aber es gibt kein Thema, das mich sonderlich reizt, eines hinter dem ich zu 100% stehen könnte. Ich halte die Aufstellung der Gesellschaft für etwas komplizierter, als dass ich etwas klar benennen könnte. Ich bewundere Menschen, die das breitbrüstig können. Was soll man den Menschen sagen, bringt‘s euch nicht um, seid‘s irgendwie nett und schaut‘s bissel auf die Wohlstandsverlierer. Das ist auch alles.
MANUEL: Nehmt den Reichen, gebt den Armen, wow.
Ihr singt so viel über die Liebe, ein anderer Ansatzpunkt in der Diskussion wäre ja auch vielleicht, durch die Liebe zu kommunizieren?
MARCO: Ja, vor allem kommuniziert unser Lebenswerk offensichtlich: Emanzipier dich. Wir sind Musiker, wir beschäftigen uns mit dem Ich, mit der Seele, mit dem Unterbewusstsein und die große Botschaft ist: Dein Leben ist verdammt viel wert. Lerne, dich damit auszukennen, so dass du dir selber nicht weh tust und niemandem sonst. Das kann ich nicht auf ein Plakat schreiben und mich auf den Potsdamer Platz stellen. Sondern dafür stehe ich ja sowieso in dem Moment, in dem ich eine Gitarre in die Hand nehme.

Seht ihr euch selbst als Rockstars?
MARCO: Überhaupt nicht. Ich bin mittlerweile so abgeturnt. Jetzt wo’s immer berühmter wird werden wir ständig gefragt „Wie ist das Leben eines Rockstars?“ Das ist wie Kaugummi, das ist ur-langweilig. Ich bin ein Musiker und interessiert daran, mich mit seelischen Inhalten auseinanderzusetzen. Aber ich finde das hat mittlerweile etwas ärgerliches, wenn man auf dieses Rockstar Ding angesprochen wird. Da wird so viel projiziert. Ich verstehe nicht, warum eine Gesellschaft das braucht, warum muss es dieses Klischee geben? Das sind so Typen mit Lederjacken, die vernichten sich. Aber das haben wir eigentlich nie gemacht. Wir haben versucht, für Emanzipation zu stehen oder geistige Befreiung, aber nicht für Selbstvernichtung.
Würdest du also sagen, die Selbstvernichtung ist das, was einen Rockstar ausmacht?
MARCO: So wie es an uns herangetragen wird von der Öffentlichkeit schwingt ein Mief mit.
MANUEL: Die eigene Vernichtung darzustellen. Sterben sehen… bekommen die sicher nicht von uns.
MARCO: Das schaffen die nicht. Da wird kein Doherty passieren in dieser Gruppe. Aber damit lebt man auf der Musikerseite. Es ist vollkommen klar, dass das ganze Ding wesentlich spannender wäre, wenn einer mit Heroin verhaftet würde, oder einer stirbt. Ist ja klar, dass das ur-geil ist, diese Medienmaschine braucht Mythos, jeden Tag aufs Neue.
MANUEL: Und zu sagen, dass sie es gewusst haben.
MARCO: Und dass es sich abgezeichnet hat. Das ist furchtbar, das wissen wir ja.
MANUEL: Warum hat man das nicht erkannt und die Person gerettet.
MARCO: Menschen haben eine unglaubliche Lust daran, andere Menschen scheitern zu sehen. Die Hälfte aller Filme erzählt das zumindest.
Gibt’s noch etwas, das ihr uns auf den Weg mitgeben wollt?
MARCO: Schwierig. Ich glaube an Möglichkeit. Das Leben ist etwas, das man gestalten kann, das Ich ist etwas, das man gestalten kann. Es ist im Moment schwierig diesen Drahtseilakt zu vollziehen. Medien werfen große Themen auf, denen man sich dann verpflichtet oder zugetan fühlt, auf der anderen Seite würde ich aber aufpassen, dass man die Beschäftigung mit dem Wesentlichen, nämlich sich selber nicht verliert.
MANUEL: Passt auf euch und eure Liebe auf.
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