Dagobert: Die Schönheit seiner Welt

Dagobert
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Was macht der Schweizer Sänger Dagobert eigentlich zur Zeit? „Ich trink‘ gerade ein alkoholfreies Bier von Feldschlösschen. Aber das ist nicht so gut. Das stand hier so rum, das muss weg.“ Ein neues Album ist noch nicht in Aussicht, er hat „Welt ohne Zeit“ erst letztes Jahr veröffentlicht, aber er schreibt neue Texte. In welches Genre seine Musik letztendlich fällt, ist dabei relativ egal. Bekannt, wenn man so möchte, ist Dagobert wohl seit dem Lied „Ich Bin Zu Jung“ von seinem ersten Album, „Dagobert.“ Er macht sein eigenes Ding, trägt ausschließlich die ausgefallenen Anzüge, die ihm seine Schwägerin näht, gelegentlich das Fußballtrikot der Grasshoppers Zürich. Ein Münchner Freund hat neulich beschlossen, die beiden seien jetzt Fans.

Der musikalische Beginn

Mit neun Jahren findet Dagobert die Scorpions toll und fängt deshalb an, Schlagzeug zu spielen. „In meiner Schule habe ich ein paar Kids zusammengetrommelt und eine Band gegründet. Ich hatte kein Musikverständnis und habe mit der Stoppuhr gestoppt, wie lang ein Ablauf von Schlägen geht und dann meinen Leuten gesagt, spielt mal was, das genauso lang geht. Dann habe ich möglichst brutale Texte geschrieben wie ‚ich bring dich um, ich fress‘ dich auf,‘ die unser Sänger in einem Phantasieenglisch herausbringen musste. So sind die ersten Songs von den Cannibals entstanden.“ Mit 14 Jahren lernt er, wie man Musik am Computer macht und komponiert halbfertige Symphonien.

Die ersten zwei Jahre nach dem Abitur lebt Dagobert in einem Keller, einem Bandproberaum von Freunden. Von dieser Zeit erzählt er oft, seine Penner-Phase. Dort schreibt er die ersten richtigen Texte und beschäftigt sich zum ersten Mal wirklich mit der Musik. Mit einem Stipendium zieht er für ein halbes Jahr nach Berlin, bis der Einzelgänger sich seinem Debüt „Dagobert“ widmet und fünf Jahre isoliert in den Schweizer Bergen lebt. Seit zehn Jahren wohnt er wieder in Berlin. Jetzt hat Dagobert sehr viele Freunde. Er unternimmt ständig etwas, wird oft eingeladen. „In Berlin wurde ich quasi dazu gezwungen, Freundschaften zu schließen, die sich dann aber doch zu sehr vielen schönen entwickelt haben.“ Um den sozialen Verpflichtungen der Großstadt für einen Moment zu entkommen und seiner eher asozialen Natur zu frönen, ist er seit kurzem erneut in den Schweizer Bergen, südlich von Bern. Die Skipiste fährt direkt an seinem Haus vorbei. Ski fährt Dagobert aber nicht. Einen Schlitten hat er, mit dem er sich neulich nach zu viel Schnaps das Knie verletzt hat.

Zu Hause in der Schweiz

Die Schweiz ist seine Heimat. Er erzählt viel von seiner Familie, von den Brüdern (der Pfarrer, mit dem er die meisten Interessen teilt, der Popstar, von dem ein riesiges Poster im Flur hängt und der Sozialarbeiter, der der netteste von allen ist, wie er sagt) und seiner Schwester, die mittlere der fünf Geschwister, die die Familie zusammenhält. Insgesamt hat er sieben Nichten und Neffen, man merkt, wie wichtig ihm die Familie ist. Er wirkt glücklich. So lange die Musik nichts anderem untergeordnet ist, wird er das immer sein – für planbar hält Dagobert das Leben sowieso nicht.

Dagobert in den Bergen – Foto: Sissi

Dagobert lebt vegan, er ernährt sich fast ausschließlich von Reis. Auf seine Frage, was man essen möchte, gibt es eigentlich keine Option. Reis mit Gemüse? Geht immer. Wenn man ihn fragt, warum er tierische Produkte ablehnt, kommt, wie aus der Pistole geschossen und als hätte er es schon zu oft gesagt: „Der Sänger meiner Lieblingsband ist vegan.“ Zu dieser etwas naiven Antwort fügt der Metzgersohn ergänzend hinzu: „Die Fleischesserei hat meiner Meinung nach schon eine Berechtigung, der Mensch hätte sich nicht zu dem entwickelt, der er ist, ohne diese barbarische Gewohnheit. Aber heutzutage sollte sie, wenn dann, ein Luxus sein, auf den ich persönlich gerne verzichte. Ich bin grundsätzlich überhaupt nicht an den Möglichkeiten des Konsums interessiert. Den meisten Leuten scheint es hingegen erstaunlich egal zu sein, dass man mit dem Kauf sehr vieler Produkte menschlich völlig kaputte Mechanismen unterstützt. Ich bin aber nicht so moralisch unterwegs, dass mir nicht klar wäre, dass man sich nicht um alles kümmern kann. Das Grundproblem der Menschheit ist der Egoismus der einzelnen – wer seine unnötigen Interessen sogar über die seines bescheidenen Wirkungskreises stellt, ist einfach ein Arschloch.“

Zum Glücklichsein braucht der Schweizer nur vier Wände, ein Dach und eine Steckdose. Vielleicht fließend Wasser. Das hat er alles hier in dem Haus auf dem Berg, auch wenn die Toilette keine Wände mehr hat. Wo ehemals der Lichtschalter war, hängt jetzt Stefan Zweigs Schachnovelle von der Decke. Kunstlicht mag er eh nicht, wenn die Sonne untergeht ist es gerne bis auf ein wenig Kerzenlicht ganz dunkel. Auf seinem Tisch liegen Bücher von Stanislaw Lem, die er sich selbst vorliest. Nebenbei läuft abwechselnd griechische Schwammtaucher Musik und Lou Reed. Es ist aber nicht mehr wie damals, als er das erste Mal in den Bergen lebte. Jetzt ist er ein bisschen weniger allein, hat fast täglich Besuch.

Dagobert und die Musik

Dagobert hört „viel altes Zeug, fast nur von Leuten, die schon tot sind. Junge Bands haben mich noch nie interessiert. Es passiert viel zu oft, dass man was hört das man interessant findet und die Band entwickelt sich dann entweder in eine schlechte Richtung, die man nicht mehr genießen kann, oder sie hören einfach auf, weil sie lieber was anderes machen. Und dann merkt man, dass eigentlich auch schon das erste Album egal war. Mir ist es wichtig, in der Musik zu spüren, dass da mindestens ein Leben dranhängt. Mir ist die Bindung zu dem Künstler wichtig, egal ob Musik oder Film. Wenn mir der Mensch ein gutes Gefühl gibt, dann bin ich dabei.“ Seine Lieblingsband Kreator lebt noch, aber die haben schon so viele Alben gemacht, dass das Gesamtbild für ihn nicht mehr zerstört werden kann. Deutschsprachige Künstler gibt’s eh nur zwei, die er gut findet. Der eine ist er selbst, der andere ist Tommi Stumpff.

Zu seinem kreativen Prozess sagt er: „Ich transportiere Gefühle. Die versuche ich sehr genau in Musik umzuwandeln. Natürlich ist man als Dichter ein bisschen darauf angewiesen, dass es sich hin und wieder reimt. Und wenn es diesen Anspruch gibt, dann kann der Anspruch an die absolute Wahrheit nicht ganz oben in der Hierarchie stehen. Wichtig ist vor allem, das Gesamtgefühl zu transportieren. Die Dinge, die ich mit den Worten beschreibe, sind persönliche Erfahrungen. Nicht wie der Phantast, der sich Dinge ausdenkt und in sie hineinsteigert.“

Was macht er denn jetzt eigentlich?

Obwohl Dagobert seit fünf Jahren eine Band hat, wird er scheinbar das Image des Alleinunterhalters mit dem iPod nicht los. Er sagt, das könnte der Grund sein, warum er so selten von Festivals gebucht wird. Später im Gespräch fällt ihm ein, dass er gerade einen Song herausgebracht hat, Fatamorgana. Nicht als Dagobert, sondern mit Freunden, die sich „Die Panther“ nennen. Ab und an fragen ihn Freunde, ob er in ihren Filmen eine Rolle übernehmen möchte, zum Beispiel Klaus Lemke. Abgeschlossen werden diese Projekte selten.

Das nächste Album wird schön fröhlich, sagt er, mit einer nicht ganz ernsten Miene. Er schreibt Songs für sich selbst, will die Dinge, die er sagen möchte, in seiner Sprache ausdrücken können. Für seine Band ist es ihm wichtig, dass es angenehme Menschen sind, die Zeit haben und für die Geld nicht so wichtig ist, das verdient man bei ihm nicht. Er selbst hat ja auch keines, aber er findet, das braucht er auch nicht. Über die Zukunft macht er sich keine Sorgen, er sagt (scherzhaft?): „Im Zweifel geh‘ ich halt kurz in den Knast.“

Die Frage, wer sein Vorbild ist, beantwortet er – vielleicht wenig überraschend – mit Dagobert (Duck). „Aber nicht wegen dem Geld, sondern wegen der Fähigkeit, sich so auf eine Sache zu fokussieren und für sie zu leben.“

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