Interview // Joywave über ihr Album Possession

Interview Joywave
Interview Joywave

Die Indie-Rock Band Joywave aus Rochester, New York, haben es nach ihrem letzten Konzert in Berlin Anfang März gerade noch rechtzeitig zurück in ihre Heimat geschafft. Im Lido waren sie als Support von PVRIS. Die Show war ausverkauft und ihr erstes richtiges Konzert in der Stadt, wie uns Daniel Armbruster, der Sänger von Joywave, im Interview erzählt. Davor waren sie “nur” auf dem Lollapalooza und einer Art Show. Die Band fühlt sich in Berlin wohl, das Publikum wirkt freier als manchmal in New York. “Da stehen die Menschen oftmals mit überkreuzten Armen da und schauen uns an. Das finde ich wirklich irritierend.”

Possession: Der Release vom dritten Album

Ihr drittes Album “Possession” kam am 13. Mai raus. An vielen Orten war das der Tag, an dem die strikten Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Viruses in Kraft gesetzt wurden. Der Albumtitel steht für die Kontrolle und Daniels Frage an sich selbst, ob er diese hat. Am Ende kommt er zu diesem Ergebnis: “Ich habe keine Kontrolle. Wenn ich mich von einer Sache befreie, dann lasse ich mich nur von der nächsten einfangen. Ich hatte Angst, dass sich aufgrund der Situation niemand um unser Album scheren würde und mich gefragt, warum die Welt mir das antut. Im nächsten Augenblick aber habe ich gecheckt, wie lächerlich diese Gedanken doch sind und letztendlich hatte ich auch unrecht. Weder ich noch sonst jemand hat gerade Kontrolle über das, was passiert. Wir müssen einfach einen Schritt zurücktreten und dankbar sein für das was wir haben und was wir tun können und einmal tief einatmen.”

Die Band aus Rochester, New York

Obwohl sie hier in Berlin oft als Band aus New York gesehen werden, lebt die Band in Rochester, einem Ort in Upstate New York, der in etwa vier Stunden von New York City entfernt liegt. Es ist der Heimatort aller Bandmitglieder. Trotzdem kennen sie die New Yorker Musikszene sehr gut, kennen, wie Daniel sagt, sämtliche Clubs in der Lower East Side und in Williamsburg. “Wir spielen seit 10 Jahren in New York, in Venues wie Pianos, Rockwood oder Glasslands. Die ersten 4 Jahre haben sich immer angefühlt als ob es nirgendwo hinführt. Diese schmerzhaften Erinnerungen, die jede Band durchmachen muss.” Aber dort zu leben käme für ihn nie infrage, die Stadt ist ihm zu klaustrophobisch. Es gibt zu viele Bettwanzen, Ratten und Kakerlaken und dafür zahlt man viermal so viel wie in Rochester.

Letztendlich, davon ist Daniel überzeugt, ist der Erfolg der Band genau der Entscheidung gegen New York oder Los Angeles zuzuschreiben. “Früher haben alle gesagt, dass wir Chancen verpassen, wenn wir nicht in New York leben. Aber wir hatten ein paar Songs, die auf SoundCloud und auf HypeMachine sehr erfolgreich waren. Ich glaube wirklich nicht, dass es uns geschadet hat. Im Gegenteil, es hat uns vermutlich sogar geholfen. Wir konnten einfach als Band existieren und uns finden. In den großen Städten siehst du oft den Erfolg deiner Freunde und denkst dir du musst auch in diese Richtung gehen. Mein Drummer und ich spielen seit 19 Jahren zusammen. Als wir 2010 dann Joywave gründeten, waren wir überzeugt, dass wir eh bereits versagt hatten. Also konnten wir machen, was wir wollten und was uns glücklich macht. Und genau dadurch haben uns die Leute dann gut gefunden. Besser geht’s nicht!”

Coming Apart

Die nächste Single vom neuen Album wird “Coming Apart,” auch weil der Song gerade einfach zur aktuellen Situation passt. Zum Release vom Album hat Daniel auch einen Track by Track veröffentlicht, auf dem er von den Hintergründen seiner Texte erzählt. Er macht sich selbst oft zu viele Gedanken. Es gibt viele Dinge, die einem Angst machen können, von denen man einen Schritt zurücktreten muss. Sie haben das Album lange vor Corona fertiggestellt und doch ist es jetzt so relevant wie nie. Track 1 auf dem Album heißt “Like A Kennedy” und handelt vom Chaos der Medien.

“Du musst natürlich über das, was vor sich geht, informiert bleiben. Klar, jetzt sind die Breaking News Corona, davor waren die Breaking News etwas anderes und im Nachhinein spielen die ganzen anderen Geschichten überhaupt keine Rolle mehr im Vergleich zu dem, was wir gerade durchmachen. Wenn die Medien aber alles gleichwertig präsentieren, ist es wirklich schwierig zu entscheiden, auf was du deine Aufmerksamkeit lenkst. Viele Leute hier in den USA hängen gerade noch am Strand ab und sagen, dass das jetzt nur eine neue Fake News Geschichte der Medien ist.”

Wie geht es dieses Jahr weiter?

Die Band trifft sich gerade nicht, aber Daniel verbringt viel Zeit im Studio. Das Album ist seit einem Monat veröffentlicht und eigentlich hat die Band für den Herbst eine US Headliner Tour geplant. Aber momentan herrscht, wie er sagt, “eine Zwangspause, die die Gesellschaft und die Menschen verändern wird.” Für viele ihrer Fans ist Possession, mit den selbstreflektierenden Texten, der Soundtrack der Quarantäne. “Viele haben gerade viel Zeit, ob sie wollen oder nicht. Wir haben jetzt alle gut Zeit, uns die tiefgründigen Fragen zu stellen, vor denen wir sonst immer weggelaufen sind. Und auch über die ökonomischen Fragen müssen wir uns Gedanken machen, die Arbeitslosenrate hier in den USA ist gerade so hoch wie schon ganz lange nicht mehr.”

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