Am 16.04.2021 veröffentlichte Mahendra ihr Debütalbum PARTIKEL. Zu hören sind sphärische Klänge, die ein Genregemisch aus Indie-Electro, Diskurspop, Krautrock in unsere Ohren katapultieren und alles berühren, was Musik berühren kann. Ein Strom aus elektronischer, detaillierter Musik, die uns durch ihre Kälte ganz nah kommt und fast widersprüchlich warm erscheint. Geniales Artwork, ein brandneues Debütalbum namens PARTIKEL und Tomatensuppe – darüber haben wir uns mit Mahendra in diesem Interview mal genauer unterhalten.
Lukas, Björn und Robin oder besser gesagt Mahendra. Die Kurzfassung.
Robin: Wir würden das Debütalbum, dass wir gerade herausgebracht haben, eigentlich gern als Debütalbum präsentieren – das ist aber nicht ganz wahr. Wir kennen uns schon seit 2013/14 und seitdem machen wir auch zusammen Musik. Damals klangen wir noch sehr akustisch und waren eher als Singer/Songwriter unterwegs und sind dann erstmal erfolglos auseinandergegangen, in unterschiedliche Städte gezogen, um zu studieren. Irgendwann haben wir uns wieder getroffen – und sind in der Zeit alle irgendwie auf unterschiedliche Weise mit elektronischer und experimenteller Musik aneinandergeraten. Dann ging es schnell und wir haben darauf eine EP produziert, zwei Touren gespielt. Wir haben musikalisch das gefunden, worauf wir Bock haben und uns an ein Album gesetzt, das wir während der Pandemie fertigstellten.
Ihr habt schon zwei Touren gespielt? Das hört sich groß an!
Björn: Ja, wir haben zwei Touren unter dem Bandnamen Mahendra gespielt und in der Konstellation auch mit elektronischen Instrumenten. Natürlich haben wir vorher auch schon Konzerte gespielt, aber das war alles im sehr kleinen Rahmen und eben sehr akustisch.
Robin: Die Touren waren auch sehr DIY. Wir haben alles selbst gebucht, organisiert. Und waren unterwegs in einem winzigen Auto, mit vier Leuten und Instrumenten.
Das sind doch die abenteuerlichsten Touren! Ein Album mitten in der Pandemie zu veröffentlichten, ist eigentlich gar nicht so toll oder wie seht ihr das?
Robin: Da diskutieren wir ewig drüber! Aber das Album ist auch schon ewig in der Mache und wir können das glaub ich nicht länger mit uns rumtragen, weil wir sonst keinen Abschluss dafür finden, wir könnten nicht weitergehen. Heißt, wir haben uns dazu entschlossen PARTIKEL unter widrigeren Umständen herauszubringen und dafür später umso lauter zu feiern. Bis dahin nutzen wir die Zeit und schreiben weiter an unseren neuen Songs und überlegen uns neue Konzepte. Aber das Debütalbum musste jetzt einfach raus. Als unser erster Schritt nach vorne. Außerdem haben wir noch ein paar Pläne auf Lager.
Pläne auf Lager klingt gut! Könnt Ihr schon was über diese Pläne verraten?
Björn: Naja, da bauen wir noch etwas Spannung auf. Das Hauptding ist unser Album. Da sind wir mächtig gespannt.
Robin: Wir überlegen schon darauf rum, wie wir kompensieren, dass es keine Livekonzerte gibt. Vielleicht wird es eine Art virtuelle Track by Track Ausstellung geben in Fotoserien. Es gibt jedenfalls Pläne.
Ihr sagt selbst, dass es um Nähe durch Distanz geht und irgendwie auch um Emotion durch Emotionslosigkeit. Ihr kreiert irgendwie euer eigenes Genre damit. Sagt mal was zum Entstehungsprozess.
Björn: Das Album ist ziemlich natürlich gewachsen. Wir kennen uns schon lang und wir haben gemerkt, dass es richtig Bock bringt, wenn wir zusammen spielen und genau das ist wichtig. Uns ist klar geworden, dass wenn wir Live zusammen spielen, die besten Sachen entstehen. Ich mag es, irgendwie zu spielen und mich gleichzeitig so ein bisschen zu überfordern und dann an textliche Möglichkeiten zu kommen, die mit eingeschaltetem Kopf vielleicht nicht zu erreichen wären.
Also so eine Art größer werden durch die Musik und dabei die besten Gedanken, die einem vorher noch nie gekommen sind, zu Papier bringen?
Björn: Ja, vielleicht. Vor allem geht es darum, dass dieser Prozess einfach so passiert. Dass man sich eben nicht hinsetzt und sich sagt, ‚so jetzt schreibe ich diesen Text und der geht dann auch nur so, das ist eben mein Konzept‘. Wir machen das eher so, dass wir einfach spielen und alles direkt aufnehmen. Danach hören wir uns das ganze zusammen an und überlegen uns, was jetzt textlich super gepasst hat und was das Schlagwort für diesen Song ist. Wir arbeiten total oft mit Schlagwörtern – wie zum Beispiel dem Wort Zerfall. Und dann spielt und textet jeder das, was ihm dazu einfällt.
Klingt fast ein bisschen nach Improtheater. Bloß eben als Band, die daraus Musik macht.
Robin: Eigentlich ist es so eine Jugendzentrum-Punk-Band-Sache, bloß dass man einmal ausspricht, wie es funktioniert. Das benennt man ja sonst nicht so. Es ist schon ganz spannend, das Album ist sehr elektronisch aber eben nicht am Computer entstanden. Das ist alles irgendwie mit uns dreien im Proberaum irgendwo zusammen entstanden. Klar unser Setup ist ein bisschen mehr verkabelt und alle Computer auf der Bühne reden irgendwie ein bisschen miteinander, aber im Prinzip ist es genauso. Es ist schon so, dass am Anfang ganz viel intuitiv in diesen Improvisations-Live-Sessions entsteht. Darauf folgt aber natürlich der große Prozess, das Ausarbeiten und Diskutieren – vor allem über die Texte.
Wie steht’s mit euren musikalischen Einflüssen? Wir sprechen gerade viel über Elektro. Eure Songs sprechen aber nicht nur einem Genre aus dem Herzen.
Robin: Das entsteht aus der Summe des Ganzen. Ich glaube, wir sind uns alle einig was Radiohead angeht. Die Band haben wir alle gemeinsam. Unsere Songs sind aber ganz anders. Auf Bon Iver können wir uns auch immer ganz gut einigen.
Thema Artwork.
Robin: Ja, so gesehen das vierte unsichtbare Bandmitglied: Jannik. Der macht das ganze visuelle Drumherum. Mit Jannik arbeiten wir ziemlich eng zusammen. Bevor die Songs und das Album überhaupt fertig waren, haben wir schon mit ihm über visuelle Konzepte gesprochen, damit es noch gemeinsam zu Ende entstehen konnte.
Die Artworks zum Album und zu den Singles sind sehr tief, es ist als würde man ein Stück weit in die Tiefe hineingesogen. Gibt es da ein bestimmtes Ziel?
Robin: Uns interessiert grundsätzlich das Artifizielle – das etwas nachgebildet ist, was gerade gar nicht da ist. Jannik ist unter anderem auch 3D-Künstler. Er baut uns virtuelle Räume und mit diesen Räumen, die aus den verschiedenen Blickwinkeln innerhalb eines Raumes betrachtet werden, entstehen dann unsere Artworks. Alle Artworks, die zu diesem Album entstanden sind, sind auch aus dem gleichen artifiziellen Raum heraus entstanden und zeigen nur verschiedene Blickwinkel dessen. Zwar ist das Farbspiel, die Auflösung unterschiedlich, aber konzeptuell ist es nur dieser eine Raum.
Klingt ein bisschen wie ein Langzeit Musikband-Kunstprojekt.
Robin: Oh ja! Wir wünschen uns, dass es genauso wahrgenommen wird. Das find ich cool!
Björn: Dank Jannik haben wir genau das, was uns lang gefehlt hat. Durch seine Artworks wird das Ganze irgendwie eins. Live wird dieses Zusammenspiel noch eine große Rolle spielen.
Wird das auch eher so eine Art musikalische Kunstreise?
Robin: Klar, irgendwie schon. Das ist uns sauwichtig. Nichtsdestotrotz fischen wir natürlich in Pop-Gefilden, auch wenn wir uns aus der konzeptuellen Kunst ein bisschen was klauen. Das Album erscheint trotzdem auch als Stream bei diversen Streamingdiensten und wir spielen auch in Clubs, sobald das wieder möglich ist. Aber sich davon inspirieren zu lassen, sich davon Sachen zu klauen, so finde ich, ist eine sehr schöne Sache.
Habt ihr selbst einen Lieblingssong auf eurem Debütalbum? Gibt es ein Herzstück?
Lukas: Das ändert sich ständig und ist bei uns allen unterschiedlich. Ich habe letztens unsere Kassetten überspielt. Auf Kassette funktioniert der ruhigste Track Verblasst richtig gut. Da der Song keine Singleauskopplung war, hab ich ihn jetzt länger nicht gehört und den Song voll wiederentdeckt. Substanz ist auch ein sehr wichtiger Song für mich. Das ist eine Art Song, den ich schon immer mal schreiben wollte, das war mir wichtig.
Björn: Bei mir ist es ähnlich, weil es um einen Track vom Album geht der auch keine Single ist und ich ihn deshalb auch schon länger nicht mehr gehört habe. Und zwar der Track Zerfall. Den habe ich für mich wiederentdeckt, weil er so eine krasse Entwicklung durchmacht und das am Ende des Tages eigentlich einer der Tracks ist, der mit am schnellsten fertig war und auch der Text eigentlich ziemlich schnell klar war. Eines meiner Herzstücke vom Album ist wohl Sonnemond.
Robin: Ja, Sonnemond. Aber eigentlich auch Mehrere. Ich finde die Songs musikalisch spannend und textlich toll. Es fühlt sich so an, als hätte sich die gesamte Arbeit, die wir in die Songs gesteckt haben, auf ganzer Linie gelohnt. Das ist aufregend! Verblasst höre ich auch sehr gerne. Ich mag die Geschichte. Auf dem Album ist auch der erste Take drauf, den wir davon je aufgenommen haben. Jetzt könnte man meinen, dass in dem Song nicht viel Arbeit steckt. Die Wahrheit ist aber, dass wir bestimmt noch 20 Takes hinterher geschoben haben mit dem Gedanken, dass es noch besser wird und im Endeffekt nichts richtig funktioniert hat. Mit dem Ergebnis, dass wir beschlossen haben uns um halb fünf Uhr morgens zu treffen und mit diesem Mood nochmal an die Sache heranzugehen. Nichts hat funktioniert, wir alle waren saumüde. Und es ist am Ende dann echt der erste Jam geworden, den wir aufgenommen haben. Also schon so eine Komposition-Improvisations-Geschichte.
Erwartet uns dann auf eurer Liveshow eine andere Interpretation von Verblasst als sie auf dem Album zu hören ist?
Lukas: Wir haben Verblasst schon mal live gespielt. Der Song ist einfach immer anders. Das macht den Song aber auch aus. Natürlich gibt es diese typischen Elemente, aber wie sie dann zusammenfallen ist halt immer anders.
Ist das generell das Motto des Albums oder von Mahendra?
Robin: Schön wär‘s! Ich glaube nicht. Ich glaube, bei dem einen Song ist es zwar so, aber auch nur in einem kleinen Rahmen. Technisch und zusammen mit den Visuals bewegen wir uns schon in einem gewissen Korsett, in dem wir uns unserer künstlerischen Freiheit bedienen. Da geht das Freie ein bisschen verloren, was wir uns aber in diesem Song dann wieder zurückerobern. Ein Song, in dem es komplett durcheinander geht und alles passieren kann. Der ist dann auch zwischen sechs und 15 Minuten lang.
Mahendra, benannt nach dem König in Nepal?
Björn: Die Namensgebung unserer Band sollte etwas Persönliches haben und deshalb ist die Geschichte dazu auch einfach. Der Name entstand schlichtweg aus dem Faktum heraus, dass es mein zweiter Vorname ist.
Ihr seid gerade alle an verschiedenen Orten in Deutschland, weit weg voneinander. Ihr wohnt nicht in der gleichen Stadt. Wie macht ihr das mit dem Proben?
Robin: Es gibt keinen Mahendra-Alltag, wie er wohl bei den meisten anderen Bands zu finden ist. Es gab bisher auch keinen Mahendra-Alltag. Wir haben immer an unterschiedlichen Orten gewohnt. Falls Björn nach Berlin zieht, holen wir uns dort mal einen Proberaum. Dann kann man auch über sowas nachdenken wie “wir spielen immer Donnerstagabend um 19 Uhr, haha”.
Dank Corona, sind wir seit über einem Jahr alle viel Daheim. Gibt’s irgendein Rezept, dass ihr in der Zeit perfektioniert habt oder versteckte Talente, die ihr entdeckt habt?
Björn: Ich habe meine Kürbissuppen-Skills verfeinert.
Robin: Ich bin auch auf diesem Suppentrip. Kürbissuppe macht Spaß, Kartoffelsuppe auch. Und hier noch ein Tipp für alle, die jetzt Tomatensuppe machen. Die Tomaten mit Zwiebeln und Knoblauch vorher im Ofen so richtig schön anrösten. Ruhig für eine Stunde, bis die Zwiebeln fast schwarz sind. Das ist mega gut! Aber den Knoblauch nicht schwarz werden lassen, das wäre ein großer Fehler. Und ein bisschen Zucker auf die Tomaten streuen, damit die etwas karamellisieren. Ich hatte sau viel Zeit.
Lukas: Ich wollte im letzten Lockdown unbedingt löten lernen. Ich bin auch noch dabei, aber ich finde es viel schwieriger als ich es erwartet habe. Ich habe versucht ein Delay Pedal zu bauen, aber man muss einfach so viele Sachen darüber wissen, (wie was in welche Richtung woran gelötet wird) die leider nirgendwo vernünftig stehen.
Da wird einem nicht langweilig!
Robin: Aber ein Delay wird’s auch nicht.