Interview // Franz Ferdinand – The Human Fear

Interview // Franz Ferdinand – The Human Fear
Franz Ferdinand - Foto: Fiona Torre

Im Jahr 2022 feierten Franz Ferdinand ihr 20-jähriges Jubiläum und brachten zu diesem Anlass das Best of Album Hits To The Head heraus. Am 10. Januar veröffentlicht die Glasgower Band um Sänger Alexander Kapranos nun ihr sechstes Studioalbum The Human Fear mit elf Tracks. Die beiden Vorabsingles Audacious und Night Or Day machen definitiv neugierig auf das neue Gesamtwerk.
Shows der Band sind ein wahres Freudenfeuer, bei dem das Publikum euphorisiert tanzt. Nach Amerika und Kanada tourt das Quintett 2025 auch wieder durch Europa und macht dabei in drei deutschen Städten Halt. Die Tickets sind leider bereits restlos ausverkauft. Allerdings spielt Franz Ferdinand auch als Headliner beim bedauerlicherweise vorerst letzten Maifeld Derby (30.5. bis 1.6.25) in Mannheim. Ich kann es kaum erwarten, die Schotten wieder auf der Bühne erleben zu können, denn sie gehören definitiv zu den allerbesten Livebands, die ich je gesehen habe.
Ich durfte Bassist und Gründungsmitglied Robert Hardy zum Album The Human Fear per Zoom interviewen. Bob hat mir zudem interessante Einblicke in die Bandstrukturen und sein Privatleben ermöglicht. Das Franz Ferdinand Interview zu The Human Fear wurde aus dem Englischen übersetzt.

Der Name eures neuen Albums lautet The Human Fear. Welche konkreten Ängste werden in den einzelnen Songs aufgegriffen?

Die Songs wurden ursprünglich nicht mit dem Konzept der Angst im Hinterkopf geschrieben. The Human Fear ist kein Konzeptalbum. Erst nachdem wir die Platte fertiggestellt hatten, bemerkten wir, dass in jedem der Songs Ängste vorkommen.
Der Song Hooked beginnt beispielsweise mit dem Text „I got the fear, I’ve got the human fear“.
The Doctor ist ein Song über die Angst, einen sicheren Ort zu verlassen. Als Alex sehr jung war, hatte er schweres Asthma und war oft im Krankenhaus, und wenn er nach ein paar Tagen entlassen werden sollte, wollte er nicht gehen, weil er sich dort in Sicherheit fühlte. Die geschilderte Angst lässt sich auch auf andere Situationen übertragen, wie zum Beispiel die Angst, einen Job aufzugeben oder die Angst, eine Beziehung zu beenden.
Black Eyelashes ist ein griechisch angehauchter Track, in dessen Text es um die Angst geht, ob man dazugehört oder nicht. Alex ist Halbgrieche. Ich glaube, wenn er in Griechenland ist, hat er ein Heimatgefühl, aber gleichzeitig gehört er nicht richtig dazu, weil er nicht wirklich Griechisch spricht. Außerdem hat er einen hellen Teint.
Aus Night Or Day nehme ich mit, dass in vielen Beziehungen Schwierigkeiten aufkommen und Unsicherheiten entstehen, es sich aber lohnen kann, Zeit zu investieren, um daran zu arbeiten.

Hast du irgendwelche Ängste oder Phobien?

Ich mag keine Schlangen. Sähe ich eine Schlange im Park, würde ich in die andere Richtung rennen.

Klingt eure neue Platte unverwechselbar nach Franz Ferdinand?

Ich finde Audacious, die Leadsingle klingt wie ein typischer Franz Ferdinand-Song. Es gibt aber auch neue Elemente, beispielsweise orchestrale. Insgesamt ist das Album sehr vielseitig. Es gibt eine große klangliche Bandbreite. Hooked ist recht elektronisch und in Black Eyelashes kommt ein griechisches Instrument namens Bouzouki vor. Da kommt eine völlig andere Seite von Franz Ferdinand zum Vorschein. Wir wollten eine Platte machen, die zwar nach Franz Ferdinand klingt, aber gleichzeitig wollten wir auch Neues ausprobieren.

Wie ging der Entstehungsprozess des neuen Albums vonstatten?

Unsere Songs entstehen auf unterschiedliche Weise. Manchmal ist der Ursprung ein Gitarrenriff, welches zu einem Synthesizer gespielt wird, und dann wird der Song herumgebaut. So war es zum Beispiel bei Hooked.
Es gibt aber auch die Option, dass Alex uns einen Song zeigt, den er zum Beispiel am Klavier geschrieben hat und der bereits vollständig ausgearbeitet ist. Der Track klingt dann aber oft noch nicht nach Franz Ferdinand. Die Songs werden erst im Laufe der Zeit, wenn wir sie gemeinsam arrangieren, immer mehr zu Franz Ferdinand.
Audacious wurde zum Beispiel am Klavier geschrieben. Ich fand nicht, dass der Song sich nach Franz Ferdinand anhörte, es war ein typischer Alex Kapranos-Song. Also beschlossen wir, dass wir ihm eine Franz Ferdinand Note einhauchen müssten, und so wurde er zu dem, was er jetzt ist. Wir fügten Gitarren und Riffs etc. hinzu. Alex sagt am Anfang des Songs “Here we go with riff one“. Das ist wortwörtlich das, was er mir in Form einer Sprachnachricht übers Telefon sagte, um einzuleiten, dass nun das erste Riff folgt, was er für den Song geschrieben hat. Wir haben die Ankündigung und das Riff in den Song übernommen.

Nur du und Alex gehören noch zur Originalbesetzung von Franz Ferdinand. Was zeichnet die neuen Bandmitglieder aus?

Julian Corrie ist vor über acht Jahren dazugekommen. Er ist ein sehr musikalischer Mensch, der sich um die Arrangements kümmert. Sein Keyboardspiel hat uns vollkommen umgehauen.
Dino Bardot kam 2017 dazu, um live bei uns zu spielen, und er ist ein erstaunlicher Gitarrist. Dinos Musikgeschmack ist ganz anders als unserer. Er steht auf Progrock, was sich auf seine Art Gitarre zu spielen auswirkt.
Audrey Tait schloss sich uns im Jahr 2021 an und sie ist eine begabte Schlagzeugerin. Sie ist ein Mensch, den nichts aus der Ruhe bringt. Sie kann sich in jeder Situation behaupten, was für eine Schlagzeugerin sehr wichtig ist. Audrey hat ein großes Selbstvertrauen und bringt viel Energie in die Band.
Wir haben uns mit allen neuen Mitgliedern sofort gut verstanden. Wir waren mit ihnen auf Tour anlässlich unseres 20-jährigen Bandjubiläums. Die Hits To The Head Tour hat wirklich Spaß gemacht. Die Energie und Begeisterung setzten sich im Studio fort. Wir haben ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl, auf der Bühne und abseits der Bühne.
Dino und Audrey haben einen unglaublichen Geschmack und solch eine Begeisterung für Musik. Das ist ziemlich ansteckend. Wenn wir im Studio an einem Song arbeiten, von dem ich begeistert bin und ich spüre, dass er Dino, Audrey oder Julian ebenfalls packt, wirkt das auf mich zurück und ich bin noch angefixter. Das ist eine erfüllende Art und Weise zu arbeiten.
Wir haben einen ähnlichen Sinn für Humor. In unserem Gruppenchat geht es lebendig zu, ob wir auf Tour sind oder nicht. Es fühlt sich an, als würde man mit Freunden abhängen.

Was war der bedeutendste Moment deiner Karriere?

Es gab so viele wundervolle Momente. Wir haben über die Jahre so viele gigantische Gigs gespielt. Man hat so viele Erinnerungen, die wirklich herausstechen.
Das erste Mal, als wir im Barrowland in Glasgow als Headliner gespielt haben, war etwas ganz Besonderes, weil uns der Ort so viel bedeutet. In der Glasgower Musikgeschichte ist es eine Spielstätte von großer Wichtigkeit.
Auf dem Corona Capital Festival in Mexiko-Stadt spielten wir eine der letzten Shows vor der Pandemie. Für mich war es das Festival mit dem besten Publikum. Während der Pandemie haben wir uns gefragt: „Werden wir jemals wieder auf die Bühne gehen können? Was wird jetzt passieren?“ Das Konzert in Mexiko kam mir dann oft in den Sinn und die Erinnerung daran hat mich bei Laune gehalten.

Wie würdest du das Gefühl beschreiben, auf einer Bühne vor Tausenden von Menschen zu spielen?

Egal wie lange man schon im Showbiz arbeitet, es bleibt immer noch aufregend, wenn man auf die Bühne geht, auch wenn es statt mehreren Tausend nur etwa 300 Fans bei kleinen intimen Shows sind. Das Publikum ist nie die gleiche Gruppe von Menschen. Man macht also immer neue Erfahrungen. Die Energie, die man vom Publikum zurückbekommt, ist unbeschreiblich. Live zu spielen, macht für uns einen großen Teil des Banddaseins aus, und das Touren ist so wichtig für uns. Wir freuen uns auf jede Show.
Als wir vor 20 Jahren anfingen zu touren, reizte mich vor allem das Reisen. Genauso wichtig wie die Show war es, an neuen Orten zu sein, neue Leute zu treffen und auf viele Partys zu gehen.
Jetzt, 20 Jahre später, steht nur noch die Show im Mittelpunkt. Die Musik wird für mich auf der Bühne erst richtig lebendig. Wenn du live vor einem Publikum spielst, kannst du miterleben, wie Menschen deine Musik hören und auf sie reagieren.

Gab es jemals einen besonderen Vorfall oder Unfall auf der Bühne?

Einmal bin ich von der Bühne gestürzt, aber das war ganz am Anfang unserer Karriere. Ich bin seitlich runtergefallen, während ich gespielt habe. Verletzt habe ich mich aber nicht. Ich glaube auch nicht, dass es jemand im Publikum bemerkt hat.
Ein anderes Mal spielten wir auf einem Festival in Frankreich, wo Alex‘ Hose riss. Er hat schnell die Bühne verlassen, um seine Hose wechseln.

Du interessierst dich für Fotografie. Hast du schon einmal Fotos ausgestellt?

Kurz nach der Pandemie habe ich eine Ausstellung in Glasgow veranstaltet. Ich studierte Malerei in Glasgow, als wir die Band gründeten, aber ich habe mich schon immer für Fotografie interessiert.
Vor allem auf Reisen ist es eine sehr schöne Sache, eine Kamera dabei zu haben, insbesondere wenn man spazieren geht. Man achtet genau darauf, wo man ist, und kann den Ort vollkommen genießen und schätzen.
Außerdem ist die Fotografie eine gute Möglichkeit, mit den Fans in Kontakt zu treten. Ich poste öfter Fotos auf meinem Instagram-Account. Wenn ich zum Beispiel in München bin und ein Bild poste, sagen die Leute: „Willkommen in meiner Stadt.“ So etwas ist einfach schön. Es gibt auch eine Fangemeinschaft, die Fotos macht. Ich freue mich, ihre Fotos zu sehen. Das ist sehr unterhaltsam.

Alex hat vor einiger Zeit eine Kolumne zur Verpflegung während einer Tour gemacht. Habt ihr aktuell einen eigenen Tourkoch?

Manchmal machen wir Europatourneen mit dem Tourbus. Da haben wir Catering und Köche begleiten uns. Gerade sind wir in Kolumbien und haben keinen eigenen Koch.
Heute weiß ich noch gar nicht, was ich zu Mittag essen soll. Fast jeden Tag sind wir in einem anderen Land und überlegen, welches Essen wir probieren könnten. Ich gehe häufig in einheimische Restaurants.
Es gibt eine App namens Happy Cow, die Bewertungen von lokalen veganen und vegetarischen Restaurants liefert. Da ich Veganer bin, ist das sehr nützlich.

Was kochst du gerne?

Ich mache gerne Braten, das ist etwas sehr Britisches. Sonntags isst man einen Braten. Ich versuche Fleischalternativen zu finden. Mein neues Projekt ist die Perfektionierung meiner eigenen Seitan-Rolle, womit man Braten machen kann. Ich habe das Rezept online gesehen.
Kochen ist etwas, bei dem ich mich zu Hause entspannen kann. Zeit in der Küche zu verbringen, erfüllt mich. Ich koche auch gerne für andere Leute. Das ist eine schöne Art, Zuneigung zu zeigen.

Habt ihr bestimmte Band-Rituale, wenn ihr auf Tournee seid?

Wir schreiben Postkarten nach Hause. Das ist ein nettes kleines Ritual. Ich sammle außerdem gerne Aufkleber, die ich auf meinen Koffer kleben kann. Bei uns gibt es keine abergläubischen Rituale. Wir machen keine Gruppenumarmungen oder Ähnliches vor Auftritten. Allerdings schießen wir ein Gruppenfoto, bevor wir auf die Bühne gehen. Das gibt uns Kraft.

Ich habe von dem leerstehenden Lagerhaus in Glasgow namens Chateau gelesen, wo ihr eure ersten Auftritte hattet. Kannst du mir etwas über diesen Ort erzählen?

Als wir die Band gründeten, hat es uns nicht gereizt, in Clubs zu spielen. Wir waren auf der Suche nach einem Ort, an dem wir unsere eigenen Shows und Partys veranstalten konnten, und stießen auf dieses alte Gebäude. Es war eine Art Lagerhaus aus den 1930er-Jahren. Zusammen mit einigen Freunden aus der Kunstwelt in Glasgow haben wir dort Live-Musik und Kunstausstellungen organisiert. Das machte großen Spaß. Der Ort wurde immer wieder von der Polizei geschlossen, weil es zu laut war. Außerdem barg das Gebäude Gefahren. Ein paar Jahre später stürzte dort eine Treppe ein, aber keiner wurde verletzt.
Es war einfach spannender, an verrückten Orten wie beispielsweise auch in einem alten Gerichtssaal zu spielen, als da, wo alle anderen auftraten, die Supportband zu sein. Man war unabhängiger.
In Deutschland war es vor 20 oder 30 Jahren beinahe normal für Bands in besetzten Häusern zu spielen. Als wir anfingen, gab es so etwas in Glasgow noch nicht. Wir haben uns ein bisschen von der deutschen Attitüde inspirieren lassen.

Was sind heute deine bevorzugten Veranstaltungsstätten?

Wenn man 20 Jahre lang auf Tournee ist, gibt es eine Menge Orte, die man liebt. Einer meiner Favoriten ist das Docks in Hamburg. Für mich ist es so etwas wie die Hamburger Version des Barrowlands in Glasgow. Ich denke, jede Stadt hat eine dieser Locations, die schon ewig existiert und mit der die Leute so viele Erinnerungen verbinden, dass sie fast schon zu einem heiligen Ort für Musik wird. Dadurch entsteht eine besondere Atmosphäre während der Shows.

Hat Musik einen festen Platz in deinem Alltag, wenn ihr nicht aufnehmt oder tourt?

Ich gehe öfter in Glasgow spazieren und höre Musik. Während der Pandemie konnte ich so viel Musik hören wie schon lange nicht mehr, weil es kaum etwas anderes zu tun gab. Man war eingeschlossen. Das erinnerte mich sehr an meine Teenagerzeit, als ich mir immer und immer wieder Alben anhörte, weil sie mich so sehr faszinierten.

Hörst du heute noch immer ähnliche Musik wie damals?

In meiner Jugend mochte ich die Glasgower Bands Belle and Sebastian und Mogwai. Die Beatles habe ich auch geliebt. Als ich im Winter während der Pandemie allein in meinem Haus eingesperrt war, konnte ich nicht genug von der amerikanischen Band Big Thief bekommen. Ich finde Adrianne Lenkers Stimme so unglaublich.
Kathryn Joseph aus Glasgow hat es mir während der Pandemie ebenfalls angetan. Sie bringt Platten beim von Mogwai gegründeten Label Rock Action heraus. Eine andere bemerkenswerte Sängerin ist Rozi Plain, die in London lebt. Die vierte Künstlerin, die ich mir während der Pandemie oft angehört habe, heißt Emma Kupa. Sie ist eine englische Singer-Songwriterin und spielt in mehreren Bands, zum Beispiel bei Mammoth Penguins. 2020 veröffentlichte sie das Soloalbum It Will Come Easier und ich war verrückt danach.

Was würdest du einen Musiker am liebsten fragen, wenn du Reporter wärst?

Das ist schwierig. Ich meine, es kommt wirklich auf den Musiker an. Ich interessiere mich dafür, was Menschen dazu bringt, jegliche Art von Kunst zu machen. Kunst ist nichts Gewöhnliches. Nicht jeder macht Kunst. Ich würde Künstler also vielleicht fragen, woher ihr Antrieb für das kommt, was sie tun.

Was ist deine Motivation nach so vielen Jahren weiterhin Musik zu machen?

Ich fand die Idee, Teil einer Band zu sein, schon immer sehr aufregend, vor allem die Art und Weise, wie man mit den Leuten in Kontakt treten kann. Bands und Musik bedeuteten für mich als Teenager alles. Sie haben mir einfach die Welt eröffnet. Jemand, der nicht in einer großen Stadt lebt, sondern irgendwo weit draußen auf dem Land, wo keine tourenden Bands vorbeikommen, kann sich durch die Musik trotzdem mit der Welt verbinden. Er kann Musik hören, über sie lesen und sprechen. Die Welt der Musik bietet so viele Möglichkeiten.

Mit welchen Musikern kannst du dir eine Kooperation vorstellen?

Ich bin großer Queen-Fan und habe Brian May schon einmal kurz getroffen. Gerne würde ich mit ihm arbeiten, vielleicht könnte man ein Gitarrensolo von ihm einspielen lassen.
Von manchen anderen Bands wie zum Beispiel Big Thief möchte ich einfach nur Fan bleiben.

Mehr Infos zu Franz Ferdinand : InstagramFacebookSpotify

Titelbild: Fiona Torre

Geschrieben von:
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