Interview // Kooks – Never/Know

Interview // Kooks – Never/Know
The Kooks - Foto: Davis Factor

Welcher Indiefan hat nicht schon mal wild zu Genreklassikern wie Naïve, Ooh La oder She Moves In Her Own Way vom The Kooks-Debüt Inside In/Inside Out aus dem Jahr 2006 getanzt? Die Kult-Indieband The Kooks bringt am 9.5.25 bereits ihr siebtes Studioalbum heraus. Der Sound der elf Songs auf Never/Know erinnert an die musikalischen Ursprünge der Briten und versprüht gute Laune pur.
Als The Kooks-Liebhaberin der ersten Stunde habe ich es sehr genossen, den tiefentspannten Luke Pritchard live interviewen zu dürfen. Der Sänger der Band hat mir im Interview nicht nur Einsicht in die Entstehung des neuen Albums Never/Know gegeben, sondern hat mich auch ein wenig in sein Leben eintauchen lassen.


In letzter Zeit habe ich viele Fotos gesehen, auf denen nur du und Hugh Harris zu sehen sind. Ist das symbolisch gemeint, weil ihr die Gründungsmitglieder von The Kooks seid?


Genau. Ich denke, wir wollten die Tatsache feiern, dass wir beide von Anfang an gemeinsam auf dieser Reise waren. Viele Leute dachten, dass unser Schlagzeuger Alexis die Band verlassen hat, aber das stimmt nicht. Hugh und ich sind der Kern der Band, und sie ist unser Baby. Wir haben The Kooks zusammen gegründet. Wir sind durch Höhen und Tiefen gegangen, aber im Moment läuft es wirklich gut, und daher fanden wir es schön, unser eigenes Fotoshooting zu machen. Alexis und Jonathan gehören nach wie vor dazu, und wir sind alle Freunde.


Es gab einige Wechsel bei euren Bassisten. Wie kam es dazu?


Wir mussten jemanden feuern, der es verdient hatte, und dann haben wir uns Adeles Bassisten Peter Denton für eine Weile ausgeliehen. Adele hatte angekündigt, nicht mehr zu touren, und in dem Moment, als sie es sich anders überlegte, spielte Pete wieder bei ihr.
Pete empfahl uns also einen Kumpel von ihm namens Jonathan. Jonathan stellte sich als Glücksgriff heraus. Wir haben die neue CD zusammen gemacht und ihm viel zu verdanken. Seine Musikalität und Reflektiertheit sind erstaunlich. Er hat viel zum Vibe der Platte beigetragen. Wir arbeiten jetzt schon einige Jahre zusammen. Im Moment ist die Bandbesetzung sehr solide, und es ist eine ziemlich aufregende Zeit für uns.


Das neue Album Never/Know klingt fast so, als wäre es am Anfang eurer Karriere entstanden. War das beabsichtigt?


Die Intention dieses Albums ist, zu unseren Wurzeln zurückzukehren. Ich habe das Gefühl, dass wir uns seit einigen Alben weiterentwickelt haben und musikalisch in verschiedene Richtungen vorgestoßen sind. Ich wollte auf Never/Know wieder zu den ursprünglichen Einflüssen der Band zurück. Die neuen Songs sind auf der Gitarre entstanden und wurden dann musikalisch so weiterbearbeitet, wie damals, als wir Kumpels waren, die in einem Proberaum Musik machten. Der Song Tough at the Top ist eine echte Hommage an The Police. Auch auf unserem ersten Album waren wir stark von dieser Band beeinflusst, also dachten wir, wir sollten das wieder aufgreifen. Es ist ein schneller Song, der die Energie versprüht, die das Markenzeichen der frühen Sachen war. Sunny Baby hätte ebenfalls ein alter Kooks-Song sein können. Wir haben das Schlagzeug hier sehr trocken gehalten. Der Song ist zwar moderner, aber er vermittelt dennoch das leichte Gefühl der Songs der frühen Alben. Alles in allem ist Never/Know eine Platte voller Sonnenscheinmomente.


Im Song All Over the World sowie im Titeltrack Never Know geht es um das Reisen. Was ist dein Lieblingsreiseziel?


Ich reise ständig und liebe es. Das Reisen ist eines der besten Dinge am Musikerdasein. Man hat oft nur einen kleinen Einblick in das Land, aber zumindest kommt man mit der Kultur in Kontakt. Ich versuche, überall das Beste mitzunehmen. Ich mag Südamerika sehr, aber Japan gefällt mir am besten. Als Europäer bekommt man dort fast den größten Kulturschock, den man erleben kann. Die Japaner sind unglaublich, ihre Kultur ist so andersartig, und die Architektur ist der Wahnsinn. Man hat das Gefühl, in einer völlig anderen Welt zu sein.
Je älter ich werde, umso mehr fühle ich mich zur Natur hingezogen. Es gibt viele magische Landschaften auf der Welt.


Kannst du dir vorstellen, eines Tages auszuwandern?


Ich habe sieben Jahre in Brighton studiert, bin aber in London aufgewachsen. Ich genieße es, wieder in London zu leben, auch wenn es unverschämt teuer ist. Übers Auswandern habe ich nachgedacht, und ich würde niemals nie sagen. Die Sprachbarriere ist natürlich immer ein Problem. Ich habe zwei kleine Jungs, die eins und drei sind, daher möchte ich momentan nirgendwo anders hin gehen. Ich mag mein Land. Es ist nicht perfekt, aber man lebt hier viel besser als an manch anderen Orten.


Was gibt dir das Gefühl von Heimat?


Ich habe in vielen Häusern und Wohnungen gelebt. Umzüge machen mich nicht sentimental. Meiner Ansicht nach ist ein Zuhause da, wo die Menschen sind, die man liebt. Ich brauche nur mein bequemes Sofa und meine Gitarren – meine Fender Strat und meine Gibson Les Paul.


Welches ist der persönlichste Song auf dem neuen Album?


Sie sind alle sehr persönlich und ziemlich ehrlich. Ich gebe in allen Songs etwas von mir preis. Ich erzähle ein paar Geschichten aus meinem eigenen Leben. Chinatown ist wahrscheinlich der verletzlichste Song auf dem Album. Es geht um eine schlechte Beziehung, die heute für mich bedeutungslos ist.


Was waren deine Inspirationsquellen beim neuen Album?


Das ganze Album dreht sich darum, wo ich in meinem Leben stehe. Es spiegelt meine Dankbarkeit wider, eine Familie gegründet zu haben, gut zurechtzukommen, Wurzeln geschlagen zu haben und im Moment zu leben, statt nur in der Schleife des Musikerdaseins und Tourens festzustecken. Es ist ein Ausdruck davon, sich von der aktuellen globalen Negativität abzuwenden. Wir wollen die guten Dinge feiern, statt zu denken, alles ist schlecht, jeder macht das Falsche, und die Welt wird untergehen.
Ich habe Sunny Baby für meinen ersten Sohn geschrieben. Lustigerweise dachte niemand, dass meine Frau und ich irgendwann eine Familie gründen würden. Alle meinten, wir wären verrückt, weil wir anfangs eine turbulente Beziehung hatten, aber jetzt haben wir zwei süße Kinder miteinander.


Erstellst du einen strikten Arbeitsplan, wenn du an Songtexten arbeitest?


Ich bin niemand, der von neun bis fünf arbeitet. Aber ich mache alles in einer sehr kurzen Zeitspanne und bei diesem Album war ich besonders schnell. Die Texte und die Melodien habe ich dieses Mal in fünf, sechs Tagen erarbeitet.
Ich will nicht länger als vier Stunden pro Tag arbeiten, danach bin ich nicht mehr produktiv. Ich habe mir ein paar Regeln auferlegt, zum Beispiel, dass man den ganzen Text am Stück fertigstellt. Man sollte sich nicht nur mit dem Refrain und einer Strophe zufriedengeben, sondern bestenfalls alle Strophen abschließen.


Hast du ein Lebensmotto?


Nicht wirklich, vielleicht „Sei du selbst!“ Ich habe allerdings Prinzipien, nach denen ich mein Leben lebe. Ich will Menschen gut behandeln und ich habe in letzter Zeit viel darüber gelernt, dass mein eigenes Glück wirklich daraus resultieren kann, dass ich etwas für andere Menschen tue. Ich glaube, je mehr man anderen Menschen helfen kann, desto glücklicher wird man.


Hat sich dein Denken und Fühlen verändert, seit du Vater bist?


Alles ist anders. Ich habe jetzt ein echtes Ziel im Leben. Das ist gut so. Es gibt viele Möglichkeiten, seinem Leben einen Sinn zu geben. Ich sage nicht, dass Kinder das einzig Erfüllende sind, aber die Kinder sind für mich sehr sinnstiftend.
Es relativiert alles, weil die eigenen Bedürfnisse plötzlich zweit- oder drittrangig werden. Das ist meiner Einschätzung nach für die meisten Eltern ziemlich befreiend. Man hat einen Auftrag, den wichtigsten Auftrag überhaupt, und das macht die Dinge in gewisser Weise einfacher. Man muss sich viel weniger Sorgen über all die kleinen Dinge machen. Es beschäftigt mich nicht mehr so, ob eine Platte nur auf Platz sieben oder acht gelandet ist oder ob wir genug Konzerttickets verkaufen. Mich lässt es nicht kalt, aber ich bemesse dem Ganzen weniger Wichtigkeit bei. Das höchste Ziel ist es, mich um meine Kinder zu sorgen. Die Kinder haben eine Menge Freude in mein Leben gebracht.

Was sind deine Hobbys?


Ich habe nicht viele Hobbys. Ich meditiere. Außerdem schaue ich sehr oft Formel 1. Ich würde es allerdings nicht als Hobby bezeichnen, weil ich ja kein Rennfahrer bin. Ich koche sehr gerne. Beim Kochen bevorzuge ich klassische britische oder französische Gerichte. Ich mache zum Beispiel gerne Côte de Boeuf.

Welches ist dein Lieblingsjahrzehnt in Bezug auf Musik?


Ich liebe den fortschrittlichen Sound der 70er-Jahre. Es gab so viele großartige Bands in diesem Jahrzehnt, obwohl die Beatles in den 60ern schon Großes bewirkten. Unser Bandname ist nicht rein zufällig in Anlehnung an David Bowies Song Kooks entstanden.

Was sind deine Lieblingsplatten?


Meine Lieblingsalben sind zum Beispiel Hunky Dory von David Bowie, Troubadour von J.J. Cale, Pet Sounds von The Beach Boys, Transformer von Lou Reed und Room On Fire von The Strokes.

Hast du einen The Kooks-Albumfavoriten?


Darüber habe ich mir ehrlicherweise wenig Gedanken gemacht, aber ich bin sehr stolz auf das neue Album. Zum ersten Mal habe ich einfach mein Ding gemacht, ganz ohne Kompromisse. Ich denke, jeder sollte das wenigstens einmal in seiner musikalischen Karriere tun.

Könntest du dir vorstellen, beruflich etwas anderes zu machen als Musik?


Ich fange gerade an, mit einigen jungen Solokünstlern zu arbeiten. Ich habe beispielsweise mit der ägyptischen Sängerin Jana Diab kooperiert. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, mich in dieser Welt musikalisch zu entfalten. The Kooks existieren seit mehr als 20 Jahren und Never/Know ist bereits unser siebtes Album, obwohl ich erst 40 bin. Ich habe nicht vor, die Band aufzulösen und in 20 Jahren eine Reunion zu haben. Wir lieben es immer noch, zusammen Musik zu machen, und wir werden weiterhin Platten rausbringen, auch wenn es heute deutlich schwieriger ist, Aufmerksamkeit zu erlangen.

Wie beurteilst du die aktuellen Entwicklungen in der Musikbranche?


Es gibt ein paar Herausforderungen, aber die Tatsache, beruflich Musik machen zu können, wiegt diese vielfach auf. Viele Leute sind sehr wütend auf Streamingdienste, TikTok und all das. Künstler wurden allerdings schon immer abgezockt. Ich habe zwar eine große Plattensammlung, aber normalerweise höre auch ich Musik über Tidal. Streamingdienste sind ein zweischneidiges Schwert. Ich hasse sie und liebe sie zugleich. Man kann auf diese Weise fast jeden Song der Welt hören, aber das führt zur Überforderung. Das Phänomen gibt bei jeder Art von Unterhaltung, auch von der riesigen Filmauswahl auf Netflix fühle ich mich erschlagen.

Wer jetzt immer noch nicht genug von The Kooks bekommen kann, für den habe ich noch einen Geheimtipp, nämlich den psychedelischen Song Creatures Of Habit von 2015.

Mehr Infos zu The Kooks : InstagramFacebookSpotify

Titelbild: Davis Factor

Geschrieben von:
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