Durchgehört // Koschka

Koschka Durchgehört Foto von Dovile Sermokas
Koschka – Foto: Dovile Sermokas

Mysteriös, atmosphärisch und poetisch sind die drei Adjektive, die das Debütalbum der Sängerin Koschka für mich perfekt beschreiben. Das Album ist eine Zusammenstellung aus einerseits komplett eigens geschriebenen englischen Songs und andererseits musikalischen Interpretationen deutscher Texte. Gemeinsam mit Koschka sind wir in einem Interview alle Tracks des Albums durchgegangen, wodurch wir einerseits interessante Insights über den Prozess des Albums, andererseits ein tieferes Verständnis für die Songs selbst erhalten haben.

Liebst du um Liebe

Nachdem Koschka 2015 zurück nach Deutschland gekommen war, entdeckte sie die deutsche Sprache mittels lyrischer Werke neu. In diesem Prozess entstanden mehrere Neuinterpretationen wie beispielsweise das erste Lied der Platte Liebst du um Liebe, welches im Original ein Lied von Clara Schumann aus dem Jahr 1841 ist. Mit einer sanften Stimme und begleitet von einem Rhodes und italienischen Synthesizern stellt das Lied die Frage nach wahrer Liebe. Der Songtext ist wiederum ursprünglich ein Gedicht von Friedrich Rückert mit dem Titel Liebst du um Schönheit.

Nach welchen Parametern entscheidest du, ob du ein bereits bestehendes Stück neu vertonen möchtest? Was ist dir dabei besonders wichtig?

Das entscheide ich intuitiv. Ich neige allerdings dazu, mir Lieder, die einen zeitlosen Text haben, der lyrisch auf mehreren Ebenen ist, zu bevorzugen. Wenn ich dann die Musik höre, es selber singe und es mir leicht von den Lippen fällt, dann entscheide ich mich gern dafür. Ich würde schon sagen, der Text muss stimmen und das entscheidet natürlich mein inneres Ohr.

The Flood

Mit dem Lied The Flood vertont Koschka ihre Gedanken aus der Zeit, in der sie in einer Bar arbeitete. Inspiriert von den verschiedenen Menschen und ihren Geschichten entstanden viele kurze Textauszüge. Diese wurden dann schlussendlich zu dem Song The Flood zusammengeführt. So beschreibt der Song die Flut an Eindrücken und klingt dabei wie ein verträumter innerer Monolog.

Was inspiriert dich am meisten in deinem Schreibprozess?

Ich glaube ich finde den Schreibprozess grundsätzlich wahnsinnig entspannend. Und das tut schon mal gut. Die ersten Aufschriebe passieren beiläufig, im Café, auf der Straße, zuhause, oder eben durch eine spontane Aufnahme, einem Summen einer Melodie mit einem erfundenen, nicht sinngebenden Text auf einer Wiese liegend aber auch nicht selten auf’m Fahrrad durch Berlin. Manchmal verbindet sich dann ein Phantasie Text, den ich als Aufnahmeskizze habe, mit einem Stück Text auf Papier. Das ist wirklich Magie.

You Can’t Bear My Love

Der nächste Song folgt ganz bewusst einem sehr langsamen Tempo und hat zwischendurch auch immer wieder Stellen, in denen ausgeharrt wird. Auf diese Weise arrangiert die Sängerin die Thematik der Entschleunigung und des Wartens auf die Liebe. Unterstützt wird Koschka in diesem Song von weiteren Instrumentalisten, wie Kassandra Papak an der Geige, Oleg Hollmann am Baritonsaxophon und Mitgliedern der Berliner Band The Still. Das zugehörige Musikvideo ist ein One Shot Video, in dem lediglich Koschka in einer Badewanne zu sehen ist, was das Gefühl visualisiert, in einer Box gefangen zu sein.

Wie entstehen die Musikvideos und Visualisierungen deiner Songs? Woher kommt die Inspiration für die Bilder und die Umsetzung?

„Die Visualisierung der Songs entsteht meistens schon ganz früh im Schreib- oder Aufnahmeprozess, da ich tatsächlich oft bewegte Bilder nutze, um eine gewisse Stimmung einzufangen oder Bilder vor mir sehe, wodurch ich einen Song überhaupt erst zu Ende schreiben kann. Ohne das wäre es nicht möglich. 

Die Videoumsetzung entsteht seit einiger Zeit mit dem Musikfotografen Tom Roelofs zusammen, der mittlerweile natürlich auch ein sehr guter Freund geworden ist. Dann wiederum ist auch Menah dabei, eine Illustratorin aus Amsterdam. Wenn wir uns zu dritt treffen, tauchen wir für drei Tage einfach in eine Idee ein, die ich mir vorher im Kern überlegt hatte. Mit einem ähnlichen künstlerischen Anspruch und einem totalen Vertrauen darin, ist es für uns auch kein Thema, wenn etwas nicht klappt, das gehört dazu. Aber bisher war tatsächlich auch  immer etwas dabei. Vor allem Ideen, die absolut gar keine Vorbereitung brauchten. Wie z.B. das Video von ‚Seit ich ihn gesehen‘. Mein Rekord bisher. 90min von Idee, über Umsetzung bis hin zum fertigen Video. Die One-Shot-Videos mach ich einfach wahnsinnig gerne und es braucht so wenig. Nur eine gute Idee, Mut und Tom’s Kamera.“

Abendstern

Abendstern, ebenfalls eine Neuinterpretation, ist ursprünglich ein Stück von Franz Schubert. Es handelt von Liebe, die weit weg und unmöglich zu sein scheint, was an der Metapher von Sternen, die weit auseinander und einsam am Himmel stehen, beschrieben wird. Koschka singt hier zerbrechlich und sehnend, was von den verzerrten, lang gezogenen Tönen verstärkt wird.

Wählst du die Effekte, mit denen du eine bestimmte Atmosphäre erschaffen möchtest, gezielt aus, oder entstehen diese durch spontane Experimente?

„Ja, das würde ich schon so sagen. Ich improvisiere schonmal gerne mit dem Ausdruck oder der Interpretation, – lass mir auch mal mehr Zeit. Aber die Auswahl der Effekte für die Bühne ist natürlich vorbereitet. Und da laufen trotzdem Sachen auch oft anders und das empfinde ich meistens auch als richtig. Nicht so perfekt, durchdacht. Es muss Makel haben. Für die Platte wollte ich das ‚Abendstern‘, wie ein Riss in einem Spiegel, eine leichte Verzerrung erlebt, die sich aber mitbewegt. Auch raue Klänge sind mir grundsätzlich als Kontrast in Musik wichtig. Da es ‚Abendstern‘ schon als Live Aufnahme ganz pur am Klavier gibt, fand ich das gut.“

My Sun Home

Das nächste Stück entstand aus der Frage, wo sich die Sängerin zugehörig fühlt. Geschrieben hat sie das Stück auf einer Fahrt zum Flughafen, bei der sie sich die Frage stellte: „Wo komme ich her, wo gehe ich hin?”. Eine Frage, mit der wir uns sicher alle hin und wieder beschäftigen.

Da deine musikalische Reise ja sicherlich noch lange nicht zu Ende ist, stellt sich mir die Frage, was du musikalisch noch ausprobieren möchtest?

„Oh so vieles. Ich liebe es ja auch in interdisziplinäre Projekte einzutauchen. Es gab da ein Projekt mit einer (ich nenn sie mal) Bande Philosophen aus Berlin mit denen ich eine ‚Poröse Oper‘ im UT Connewitz in Leipzig inszeniert habe. Das hat riesen Spaß gemacht, Texte frei und a cappella zu vertonen. Außerdem habe ich auch mal bei einer Noise Oper, die schräge Figur, der “Patricia Paay” gespielt und gesungen. Herrlich. Bisschen Trash und so viel Spaß. Kollaborationen mit anderen Musikern, auch mal mit Band auftreten, auf Polnisch und Französisch singen, ach soo Vieles, worauf ich mich freue und Lust habe. Aber im Moment wünsche ich mir natürlich erstmal viele Konzerteinladungen, um mein aktuelles Debütalbum mit KOSCHKA in die Welt tragen zu können.“

Seit ich ihn gesehen

Eine weitere Neuinterpretation stellt das Lied Seit ich ihn gesehen dar. Ganz im Stile von Koschka liegt der Fokus auf ihrer Stimme, wird aber dennoch mit Synthesizer und Rhodes begleitet. Für mich wirkt der Song wie ein Tagtraum, in dem man über die große Liebe nachdenkt und in den eigenen Gefühlen untergeht. So fließt auch der Song ruhig und angenehm und Koschkas raue und mysteriöse Stimme kommt voll und ganz zum Ausdruck.

Warum faszinieren dich gerade Musikstücke und Gedichte aus der Romantik so sehr?

„Das ist echt einfach passiert. Ich spürte, dass sie sich mit meinen Stücken auf Englisch verbinden und sozusagen nebeneinander stehen wollen. Vielleicht ist es aber auch etwas, das mit meiner melancholischen lyrischen polnischen Seele zusammenhängt? Ich sollte wirklich auch mal auf Polnisch singen!“

Tiefes Leid

Die Single Tiefes Leid behandelt auf dem Album das dunkelste Thema, nämlich den Schmerz und die Trauer, die zum menschlichen Dasein dazugehören. Trotz des düsteren Textes kommt der Song durch seinen flotten Takt leicht daher und lädt fast schon zum Tanzen ein. Auch liegt der Fokus voll und ganz auf der Stimme der Sängerin, setzt aber auch gegen Ende übereinander gelegte Synthesizer-Töne ein, die dem Song etwas fast schon Absurdes verleihen. Dem Lied liegt ein Gedicht zugrunde, das Ernst Schulze geschrieben und Franz Schubert 1817 erstmals vertont hat.

Was möchtest du mit deiner Interpretation in Menschen auslösen und was lösen diese in dir aus?

„Ich finde den Text von „Tiefes Leid“ bis heute beeindruckend zeitlos. So echt. Wir Menschen verändern uns so wenig, wir sind Geschöpfe, die alle auf ihre Art Glück und Leid erfahren. Es gibt nichts Schöneres als mit Musik tiefe Empfindungen zuzulassen und sich danach besser zu fühlen.“

Oh Brother

Den Abschluss des Debütalbums bildet die selbstgeschriebene Single Oh Brother. Der Song beginnt ganz schlicht, nur mit einem Beat aus einer Loopstation. Nach und nach baut der Song sich allerdings auf und gipfelt mit dem Einsatz des Synthesizers und fängt so die Thematik des Songs ein. Die Single stellt einen Monolog einer Person dar, die die Beziehung zu einer nahestehenden Person reflektiert und gleichzeitig das Positive und das Negative hervorhebt. Genauso ambivalent ist auch der Song, wie beschrieben, eher ruhig zu Beginn und Schluss, während in der Mitte die innere Zerrissenheit stark zum Ausdruck kommt.

Der Song markiert zwar den Abschluss des Albums, aber du meintest er fängt für dich auch etwas Neues ein. Daher die Frage, was ist nach dem Release des Albums dein nächstes großes Projekt?

„Ich möchte Konzerte geben. Viele Konzerte. Am liebsten 5 Tage die Woche. Auch im Ausland. Niederlande, Belgien liegen nahe. Frankreich, Polen und Italien wären so toll.

Anfang September stehen bereits ein paar kleine Konzerte in Deutschland. Der Rest ist in Planung.
Es ist wirklich die Verbindung zu den Menschen, die mir und meiner Musik Sinn verleihen. Ich möchte, dass sie nicht mehr nur mein Hirngespinst ist, sondern, dass sie ein Teil der Zuhörer wird. Ich bin aber dran meine Live-Show zu etwas Speziellem zu formen, konzeptuell etwas theatraler und vielleicht performativer. Da hab ich einfach Lust drauf. Außerdem wäre es ja auch mal schön, Gastmusiker mit auf die Bühne einzuladen. Im Moment wähle ich bewusst, dass ich alleine auf der Bühne stehe und sie sozusagen auch „tragen“ kann.

Es gibt auch bereits einige Lieder, die ich gerne als Nächstes aufnehmen würde, z.b. ein Stück aus der Carmen Open von Bizet. Das werde ich wahrscheinlich sowieso demnächst anfangen. Außerdem steht noch ein Projekt mit einem Belgischen Sänger an. Der Fokus liegt aber definitiv auf’m Live-Spielen. Das ist ein Herzenswunsch.“

Und als abschließende Frage: Wie würdest du dein Album in drei Worten zusammenfassen?

„Zeit braucht Zeit.“

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Titelbild: Dovile Sermokas

Geschrieben von:
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