Interview // Stars

Interview // Stars
Stars Interview

Letztes Jahr hat die seit 1999 aktive kanadische Band Stars ihr sechstes Studioalbum From Capelton Hill veröffentlicht. Mit eingängigen Hits wie Take Me to the Riot, Ageless Beauty und Hold On If You Get Love and Let Go When You Give It haben sich Chris McCarron (Gitarre), Evan Cranley (Bass und Gitarre), Chris Seligman (Keyboard), Pat McG (Schlagzeug), Torquil Campell (Gesang und Trompete) und Amy Millan (Gesang und Gitarre) über die Jahre in die Herzen zahlreicher Indiepopfans gespielt. Ich traf Amy vor dem grandiosen zweistündigen Auftritt von Stars im Lido Berlin zu einem unvergesslichen Interview und durfte währenddessen ebenfalls Bekanntschaft mit Pat und Evan sowie mit dem Solokünstler Murray A. Lightburn machen, der den Konzertabend musikalisch eröffnete. Während dem Interview gab Amy ihre Deutschkenntnisse (ich bin dein und Dankeschön) zum Besten und sang sogar für mich. Die begnadete Sängerin mit engelsgleicher Stimme hat in den 2010ern zwei Soloalben herausgebracht und wirkt seit 2002 auch bei der Supergroup Broken Social Scene mit. Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.

Ihr seid seit über 20 Jahren im Musikbusiness. Was ist euer Erfolgsrezept?

Es ist wichtig, zusammen Zeit zu verbringen, Spaß zu haben und trotz Rückschlägen weiterzumachen. Wir versuchen das Schöne zu finden, aber dem Schönen mischen wir auch ein bisschen was vom Schrecklichen unter.

Standet ihr jemals kurz davor, die Band aufzulösen?

Es gab ein paar schwierige Phasen. Vor etwa sieben Jahren stand es schlimm um die Band. Es gab schwerwiegende Kommunikationsprobleme und wir haben eine Bandtherapie macht. Wir haben einige intensive Sitzungen gehabt, um Dinge zu klären. Dann konnten wir versöhnt vorwärtsschauen und seitdem haben wir uns gefangen.

Bevorzugst du das Schreiben von neuen Songs, sie aufzunehmen oder sie auf der Bühne darzubieten?

Ich bevorzuge es definitiv, Songs live darzubieten. Ich finde es anstrengend, Songs zu schreiben und recht langweilig sie aufzunehmen. Erst wenn ich Songs vor oder mit dem Publikum gesungen habe, haben sie ihre Daseinsberechtigung. Ich versuche bei jedem Auftritt die Songs ein bisschen zu variieren, so bleibt man fokussiert auf den Moment. Vielleicht ist das auch das Erfolgsrezept.

Arbeitet ihr bereits an neuen Songs?

Bisher sind noch keine neuen Songs in der Mache, da wir wegen der Tour viel um die Ohren haben. Wir touren im April auch noch in Nordamerika. Chris Seligman und Evan Cranley bringen immer alles ins Rollen, wenn es um ein neues Album geht. Die beiden schlagen für gewöhnlich die grobe Richtung für das Album ein und von dort entwickelt es sich. Auf dem Weg zum Endprodukt gibt es immer wieder Überraschungen. Bei From Capelton Hill bewirkte Evan, dass die Akustikgitarre eine größere Rolle spielt. Das Songwriting hängt immer davon ab, wer gerade anwesend ist. Für die aktuelle Platte haben wir Torq viel Material gesendet und dann hat er uns passende Lyrics zurückgeschickt. Am Titeltrack Capelton Hill haben wir alle zusammen in einem Raum gewerkelt. Torq schrieb die Strophen, ich den Refrain und den Sound stimmten wir zu sechst ab. Normalerweise arbeiten wir alle gemeinsam an unseren Tracks. Jeder ist bei uns stimmberechtigt.

Was ist dein liebster Stars Song und warum?

Schwierig. Ich habe keine Songs, die ich anderen vorziehe. Aktuell singe ich live am liebsten Patterns. Ein Grund dafür ist, dass unser Opener Murray A. Lightburn den Song auf Tour mit uns auf der Bühne singt.

Du hast mit Jenn Grant einen Song produziert. Wie kam es zur Kooperation?

How I Loved You ist einer der besten Songs, an dem ich je beteiligt war. Die Lyrics sind unglaublich schön. Ich bin sehr stolz auf die Zusammenarbeit. Ich hatte mit dem Songwriting allerdings nichts zu tun. Jenn Grant hat den Song zusammen mit Hannah Georgas geschrieben. Jenn kenne ich schon länger. Ich habe sie das erste Mal getroffen, als meine Tochter, die Ältere meiner zwei Kinder, erst drei Monate alt war. Wir haben am selben Festival gespielt und ich fand ihre Stimme atemberaubend. Schnell wurden wir Freunde. Auf der letzten Europatour war Jenn unser Opener. Sie ist eine exzellente Songwriterin, Persönlichkeit und Mutter. Wir haben viel gemeinsam und ich schätze sie sehr.

Als sie mich fragte, ob ich beim Song und im Video mitwirken möchte, habe ich nicht gezögert. Als die finale Version des Songs fertig war, habe ich beim Hören geweint. Ich habe den Song 37-mal nacheinander gehört und vor Rührung über eine Stunde geweint. Meiner Mutter ging es ähnlich und auch meinem Bandkollegen Kevin Drew von Broken Social Scene, der für die Regie des Videos zuständig war. Ich empfehle jedem, diesen ergreifenden Song zunächst allein anzuhören und ihm auf jeden Fall mehrmals zu lauschen.

In Jenns Song Hank Moon, in dem es über die Schwangerschaft mit ihrem ersten Kind geht, sollst du unbedingt auch reinhören. Im Song wird unsere gemeinsame Tour in Europa besungen. Amy singt erheitert „We were singing songs in Galway… We were opening for Stars band/ my last time with Amy Millan/ she sings with the voice just like a jewel…“

Planst du ein weiteres Soloalbum?

Ich habe es fest vor. Unser Opener Murray A. Lightburn und auch Torquil bearbeiten mich bereits. Wenn ich allein auf der Bühne stehe, habe ich Lampenfieber. Zudem sind meine Tochter und mein Sohn noch jung und ich bin ja auch noch Mitglied bei Broken Social Scene, daher ist es schwierig, sich Zeit zu nehmen. Ich möchte dennoch neue Songs veröffentlichen.

Ist bei Broken Social Scene neue Musik in Arbeit?

Der 20. Geburtstag des Durchbruchsalbum You Forgot It In People wird mit einer Record Store Day Special Edition gefeiert und Liveshows sind zu diesem Anlass geplant.

Murray A. Lightburns Soloalbum Once Upon a time in Montreal kommt am 31. März heraus. Broken Social Scene Mitglied Ariel Engle alias La Force wirkt auf diesem Album mit und ein anderes Projekt von ihr steht in den Startlöchern.

Sind Europashows von Broken Social Scene geplant?

Die Band möchte wieder in Europa auftreten. Es gibt aber noch keine konkreten Pläne. Finanziell ist es schwierig, vor allem aufgrund der vielen Bandmitglieder. Es müssen Wege gefunden werden, die Tour dennoch möglich zu machen. Wir sind uns bewusst, dass diese Tour kein Geld abwerfen würde. Aber die Kunst ist mehr wert als Geld.

Was war dein emotionalstes Erlebnis auf der Bühne?

Das war vor zwei Tagen im Paradiso in Amsterdam. Als wir Dead Hearts sangen, sah ich völlig unerwartet meine Tochter Delphine in der ersten Reihe. Torq und ich sind sofort in Tränen ausgebrochen. Es war sehr emotional für uns zu sehen, wie die Zeit vergeht.

Welche Dinge des alltäglichen Lebens fehlen dir, wenn du auf Tour bist?

Mir fehlt gar nichts. Evan und meine Kinder sind auch mit auf Tour. Ich habe viele Menschen um mich, die ich liebe. Meine großartige Badewanne vermisse ich ein bisschen, denn in den europäischen Hotels gibt es oft nur Duschen.

Gibt es bei Stars Rollen über die Musik hinaus?

Pat ist unser Fahrer und Chris McCarron repariert alles. Torq ist gut darin, Interviews zu geben, übernimmt gern das Wort und ist unser Frontmann. Ich kümmere mich um die Finanzen. Chris Seligman treibt uns zum Arbeiten an und Evan ist das coolste Bandmitglied.

Bist du mittlerweile mit Evan verheiratet?

Nein, aber er ist wie ein Ehemann für mich. Wir sind seit 20 Jahren ein Paar. Es war zunächst ein bisschen kompliziert mit uns, denn ich war mit Chris Seligman aus der Band verlobt. Aus diesem Grund waren wir der Ansicht, dass es etwas unhöflich gewesen wäre, eine Hochzeit zu feiern. Es war eine harte Zeit, aber wir in der Band sind Menschen, die einander vieles vergeben haben und wir lieben uns alle zutiefst. Chris hat das alles gut überwunden, ist einer unserer besten Freunde und kommt mindestens einmal pro Woche zum Abendessen zu uns.

Mehr Infos zu Stars : InstagramFacebookSpotify

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