Durchgehört // Lui Hill – Creatures

Durchgehört // Lui Hill – Creatures
Lui Hill Durchgehört Creatures Nicolas Blanchadell

Es gibt so Künstler:innen denen scheint das schreiben von Hits in die Wiege gelegt zu sein. Bei Lui Hill ist das unserer Meinung nach der Fall und warum das so ist, wird euch in unserem DURCHGEHÖRT zu seiner neuesten EP Creatures klar werden. Wenn Ihr dann auch auf den Geschmack gekommen seid und Lui plus Band live sehen wollt, dann könnt ihr euch gleich noch Tickets für seine Creatures Tour sichern. Aber ein Schritt nach dem anderen. Jetzt erstmal schön brav den folgenden Beitrag lesen und gerne auf den Sozialen Medien ausgiebig huldigen.

1 Creatures

Songs rutschen mir eigentlich nicht an einem Tag raus, dieser schon. Ich werde den Tag nie vergessen, denn wir haben nur getanzt und viel gelacht während wir diesen Track aufgenommen haben. Niklas Kleber mit dem ich gerne schreibe und der auch der Gitarrist der Lui Hill Live-Band ist, hatte mich in sein Studio eingeladen (Wilhelm Studio, Mainz). Der Text war eigentlich für einen anderen Song, aber dann passte er auf diesen Beat viel besser. Ich nahm die Lyrics und sang einen ersten Take, ich glaube die Lautsprecher im Studio waren sogar noch an, wir wollten noch gar nichts finales aufnehmen, aber es blieb bei diesem einen Take. Der Begriff „First take magic“ ist eben keine Floskel.

In diesem Fall konnten und wollten wir die Performance der Gesangsaufnahme nicht nochmal toppen. Alles war dirty, unmittelbar und schnell. Auch den Bass hätte ich normalerweise ausgetauscht, weil es der schlimmste Billo-Sound eines Plugins im Computer war, normalerweise geht da in mir die perfektionistische Produzentenlampe sofort an, und sagt das müssen wir mit einem echten Bass nochmal aufnehmen.Niklas meinte nur, das lassen wir so, das ist der Vibe. 

2. Talk To You

Dieser Song hat bestimmt drei verschiedene Studios gesehen, nahm wie so einige Songs seine ersten Schritte sehr leicht, und wurde dann fast schon ein Klotz am Bein. Manche Songs werden zu einem Rätsel, man überproduziert und verschlimmbessert bis all das weg ist, was man an ihm eigentlich geliebt hat. Also wieder zurück zur DNA des Songs: Ein todesunenspannter Beat, verzerrte 808 Bässe und ein paar schlampig ins Klavier gehämmert Akkorde. Also ich das Playback auf dem Ohr hatte und ein paar Takes Gesang probierte, kam an einer Stelle dieses „did it ever talk to…“ aus mir raus. Niklas hat den Teil sehr gefeiert und meinte mach da mal weiter. Bis ich den Text hatte, verging bestimmt noch ein Monat. 

Thematisch ist der Song so ein bisschen ein follow-up auf „Ancient Dust“, der eben auch ähnlich gesellschaftskritisch daherkommt. Ruhm, Sucht nach Anerkennung, Social-Media-Wahn, Fanatismus, Machtmissbrauch, Entmenschlichung, Rassismus, sind die Themen die ich anschneide und ich mich eben nicht rausnehme sondern frage, warum dies zu mir und eben zu allen anderen auch immer wieder spricht. 

3. How Many Moons

Den Song habe ich April 2020 im Wald gefunden. Erster Lockdown 2020, irgendwo im April, die Nächte sind noch klirrend kalt und tagsüber keine Wolke am Himmel.Der Mond war sogar tagsüber als verblichenes Abziehbild seiner selbst am Himmel zu sehen. Ich war soeben von 60 Shows im Jahr inkl. Support-Tour mit TUA und MEUTE von mehreren Tausend Menschen auf Null gebremst worden. Ich saß alleine im verlassenen Haus meiner Eltern, immerhin gab es da ein Klavier. Es war nur eben so unfassbar still plötzlich.

Um eine neue Routine zum Touralltag zu finden und nicht komplett durchzudrehen, bin ich jeden Tag im nahegelegenen Wald laufen gewesen. Dort kam mir der Text, ich musste während des Laufens immer wieder jede Zeile wiederholen, damit ich nichts vergesse, bis ich wieder zuhause angekommen war, um alles aufzuschreiben. Mir ist später aufgefallen, dass der Song sogar in der Schrittgeschwindigkeit ist mit der ich laufe. (80Bpm in Achteln). Der Mond hat mich beruhigt, wie als würde er sagen, alles wird gut, ich habe doch schon so vieles gesehen. Normalerweise schreibe ich nie den Text komplett, bevor ich die Musik dazu mache. Den Tag drauf habe ich dann die vier Akkorde für Verse und Chorus gefunden und war sehr happy, dass alles so gut zusammenpasst.

4. How Does It Feel

Der Song ist einem Erlebnis mit einem guten Freund gewidmet, mit dem ich auf einem Festival vor zwei Jahren war. Diese Festivaltage sind für mich immer der absolute „happy place“, an den meditiere ich mich zurück, wenn es mir nicht gut geht. Der Song ist für mich deswegen auch ein sehr spezieller, da es der erste Song ist, den ich komplett mit meiner Live-Band zusammen geschrieben habe.

Ich war im Songwriting bis zu letzt eher so ein Eremit. Mein Debüt-Album habe ich zu 90% alleine geschrieben, aufgenommen und produziert. Keine Ahnung was ich mir dabei beweisen wollte? Ich habe das Gefühl alles wird gerade viel runder und besser, wenn ich im kreativen Songwriting-Prozess andere mit einbinde. Ich genieße es gerade sehr mit anderen zusammen zu flashen und ein kreatives Ping Pong Game zu spielen. Das ging während des Lockdowns auch nicht immer so easy. Hier ist auch viel im Nachhinein per Mail zwischen uns dreien hin und her gegangen.

5. Sidewinder

Um ehrlich zu sein, der Song ist von einem Dokumentarfilm über einen Jazztrompeter entstanden. Die herzzerreissende Geschichte über Lee Morgan und seine Frau Helen Morgen hat mich nicht locker gelassen und ich musste diese Zeilen mal runterschreiben. Der Song ist komplett aus der Sicht seiner Frau, die ihn vor dem sicheren Drogentod rettet und 10 Jahre später aus Eifersucht wiederum erschiesst. Ich liebe Lee’s Musik, wusste aber nicht um seine tragische Lebensgeschichte.Der Song entstand im meinem Studio in Berlin zusammen mit Llucid, wir wollten dem tragischen Text eine schnittige Corvette bauen, indem dieser dann an einer Küstenstrasse in Südfrankreich oder Kalifornien entlang cruisen kann. Machte für uns total Sinn:)

Hier ein bisschen Nerd-Talk ,weil ich selbst auf so Infos stehe. Das Bell-Pattern im Chorus wurde mit einem Gitarrenplektrum auf der Glocke einer Hi-Hat gespielt, so leise wie es nur geht. Die Harmonien im Outro wurden mit Schläuchen aus dem Baumarkt gespielt, die wir durch die Luft gewirbelt haben.

6. Lovin’ To Lose You

Dieser Song ist eine Ode an das Gefühl verliebt zu sein. Eine Ode an das High dieses Zustandes, das man sobald man drauf ist nicht mehr verlassen möchte. Man weiß ja auch man fällt eventuell wieder tief und dein gegenüber ist vielleicht auch gar nicht so into it wie du selbst. Du legst dir aber lieber noch ein paar Ding so zurecht um aus diesem Traum nicht jetzt schon aufwachen zu müssen. Dieser Song ist mein Lieblingssong auf dieser EP, weil er so einen spacigen verträumten Vibe hat.

Man merkt dem Song auf jeden Fall nicht an, dass er auf einer Burg zwischen 600 Jahre alten Mauern geschrieben und aufgenommen wurde. Der Song ist für mich irgendwie sehr sonnig und kalifornisch geworden. Ich weiß nicht mehr wer es gesagt hat, aber es war in einem Interview eines Music-Podcasts, den ich kürzlich gehört habe, da meinte jemand „um die schönsten sonnigsten Orte zu beschreiben, schliess dich in ein dunkles Verliess ohne Fenster ein“ Well there you go 😉

Das war Lui Hill im DURCHGEHÖRT mit Creatures

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Titelbild: Nicolas Blanchadell

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