Interview // FORWARD

Interview // FORWARD
Forward - Foto: Julius Bracke

Wer einfach mal in eine andere Welt abdriften möchte und alles um sich herum für einen kurzen Moment vergessen will, hört am besten die neue EP von FORWARD auf Dauerschleife. Die Band nimmt uns mit auf eine Reise durch die verschiedenen Gefühlslagen des Verliebtseins und thematisiert eine toxische Liebesbeziehung. Man taucht ein in die verschiedenen Gedankengänge, fühlt Emotionen nach und kann so einige Gefühle sowie die Höhen und Tiefen des Verliebtseins nachempfinden. Das Thema Verliebtheit zieht sich wie ein wunderschöner roter musikalischer Faden durch alle Tracks der EP und wird von verschiedenen Seiten beleuchtet. Mal euphorisch, mal traurig aber immer ehrlich und echt. Passend zum Release ihrer neuen EP So glad we´ve almost made it haben wir im Interview mit Tim und Arne von FORWARD über die neuen Songs, deren Entstehung und was sie beim Musikmachen inspiriert gesprochen.

Unser Interview mit FORWARD zu ihrer neuen EP.

Glückwunsch zum release eurer neuen EP. Ich stelle mir diese Phase rund um den release super spannend vor. Wie geht’s euch jetzt gerade? Und wie habt ihr das Jahr bisher erlebt?

Tim: Uns geht’s sehr gut. Es ist auf jeden Fall eine sehr spannende Phase und wir sind voller Vorfreude und Euphorie, dass die EP jetzt endlich rauskommt. Das ist ja immer ein längerer Prozess. Man ist im Studio, schreibt die Songs und nimmt sie auf. Gerade weil es die Platte jetzt auch auf Vinyl geben wird, ist das alles mit sehr viel Arbeit verbunden und wir freuen uns einfach gerade, dass es jetzt rauskommt und sichtbar wird. Das ist einfach eine schöne Phase für uns, weil wir das ja auch noch nicht so lange machen aber auch ein schöner Abschluss für diese Zeit jetzt gerade, nach dem ersten richtigen Festivalsommer für uns.

Wie fühlt ihr euch, dass jetzt die ganzen persönlichen Stories und Gefühle, die auf der EP zu finden sind, jetzt draußen sind? Seid ihr eher erleichtert oder nervös oder ist es eine gesunde Mischung aus beidem?

Tim: Ich glaube, es ist eine gute Mischung aus beidem. Vorfreude ist natürlich schon da. Letztes Jahr im Sommer haben wir uns ein Haus in Norddeutschland gemietet und haben uns alle mit der gesamten Band eine Woche dort eingeschlossen und haben die ganzen Songs geschrieben, daran gearbeitet und fertig gemacht. Unser Anspruch ist auch über die Musik hinaus viel in Eigenregie zu machen, besonders in Hinblick auf Design und Musikvideos. Deshalb stecken in Design und Co auch ganz viele Ideen von uns mit drin.

Gerade bei der EP sind im Vergleich zur ersten EP die Lyrics noch persönlicher, weil sie alle persönlichen Themen aufgreift, die auch zum Teil autobiografisch sind. Da ist der release mit viel Nervosität auch von meiner Seite verbunden. Gerade bei den ruhigeren und verletzlicheren Songs gibt man dann ja doch schon sehr viel preis und das ist einfach ein ganz besonderes Gefühl- über solche Themen Songs zu singen und diese dann auch zu veröffentlichen.

Dann lasst uns doch gerne mal ein bisschen über die EP als solche sprechen. Hattet ihr schon früh ein Bild oder Thema vor Augen, was die ganze Gestaltung der Platte angeht?

Arne: Ich kann nur aus der musikalischen Perspektive sprechen, weil Tim hauptsächlich für die Texte verantwortlich ist. Bei dem ganzen instrumentalen Part hatten wir schon relativ früh eine Vorstellung, wie die EP soundmäßig klingen soll. Bei der ersten EP war ja vieles sehr Synthie lastig, deswegen war die Idee, dass wir bei der zweiten EP wieder ein bisschen organischer und minimaler werden wollten. Das war auch relativ schnell klar, weswegen die musikalische Songwriting Phase auch schneller als gedacht ging.

Tim: Für mich war es dann auch schnell klar, dass Organische und Ehrliche auch auf der lyrischen Ebene zu übernehmen. Da war es dann naheliegend, dass die Themen, mit denen wir uns auf der EP beschäftigen, sehr ehrlich, authentisch und verletzlich sind.

Abgesehen vom Inhalt, finde ich die Ästhetik von der EP und den Videos auch einfach sehr schön. Wie kam es zu dem Design und den Ideen?

Tim: Grundsätzlich ist es uns bei dem visuellen Aspekt einfach wichtig, dass es in erster Linie die Aussagen und das Musikalische, was wir in den Songs vermitteln wollen, nochmal intensiviert. Das sozusagen ein Gesamtwerk entsteht. Bei den letzten Videos war die Idee, immer unterschiedliche Aspekte aufzuzeigen. Zu Wayback haben wir eine Livesession rausgebracht und kein Video gedreht, um einfach ein bisschen diesen Live-Vibe und diese Euphorie, die wir beim Songschreiben und der Aufnahme im Studio hatten zu zeigen.

Mit Dreamingboutyou wollten wir dieses Verträumte und leicht Kitschige im Song bestmöglich im Video wiedergeben und uns trotzdem als Band damit zu inszenieren. Dieses Kitschige wollten wir überspielt zeigen, indem wir offensichtlich künstliche Objekte, die aber etwas Natürliches nachahmen wollen, in eine natürliche Umgebung packen. Wir arbeiten mit vielen tollen und kompetenten Freunden aus der Filmbranche zusammen, machen aber auch alles mit einem starken DIY-Gedanken und haben dann für das Video 400 Blumen gebastelt.

Das ist einfach die Idee gewesen, die Vibes, die wir als Band für die Songs empfinden, in den Videos zu übersetzen.

Bei den Covern haben wir es bewusst immer auf eine einzige Person reduziert, die mit ihrer Bewegung auf dem Foto die Emotionen in der Körpersprache wiederspiegelt. Da die Texte immer aus einer persönlichen Perspektive geschrieben sind und die eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen der Person umschreiben und deshalb schon einen sehr starken Blick auf das Individuum als sich wirft.

Was hat euch am meisten beim Kreieren der EP inspiriert? Und wo findet ihr generell am meisten Inspiration?

Arne: Meistens ist das bei mir so, dass ich allein oder zuhause bin und einfach Musik höre und mich dann irgendwas total catcht. Zum Beispiel war das in der Zeit, wo wir die EP gemacht haben, das neue Album von Parcels und die Livesessions dazu. Das hat mich beides gecatcht, weil sie mit ihrem Sound wieder etwas organischer geworden sind. Dann kam noch das Projekt von Silk Sonic raus, wo dieser siebziger Jahre „cleane“ Sound aufgearbeitet wurde. Zu dieser Zeit war alles davor sehr „new wavy“ und Synthie lastig, was mich dann irgendwann ein bisschen genervt hat. So ist das meistens bei mir. Ich höre irgendwas, finde das total cool und habe dann Lust das selber zu machen. Dann probiere ich einfach was aus. Manchmal habe ich eine eigene Idee, manchmal versuche ich etwas nachzubasteln und dann kommt irgendwas Eigenes dabei rum.  

Gibt’s bei euch bestimmte Künstler oder Künstlerinnen oder vielleicht auch Alben, die ihr immer wieder hören könnt? Quasi ein „all time favourite“?

Tim: Das ist bei acht Leuten in der Band natürlich etwas schwer festzulegen, aber ich denke gerade die Day/Night Platte von Parcels hat uns alle gecatcht. Das war echt eine richtige Sound Offenbarung für uns, und da haben wir uns auch kurz gefragt, ob wir überhaupt weiter Musik machen wollen, bei so einer heftigen Qualität auf allen Ebenen (lacht). Ansonsten hat jeder glaube ich sein eigenes Genre, aus dem man dann wieder Inspiration rauszieht. Das kann auch von der Musik, die wir als Band machen, erstmal weiter weggehen. Gerade was die textliche Ebene angeht, besonders bei emotionaleren Themen, höre ich super viel ruhigeren Indie. In erster Linie Phoebe Bridgers. Aus den Alben konnte ich auch sehr viel Inspiration gewinnen.

Zurück zu eurer Musik: Beim Hören eurer Songs ist mir aufgefallen, dass eure Musik eine total starke Wirkungskraft hat und einen Moment in ein ganz anderes Licht tauchen kann. Wie erschafft ihr diese krasse Wirkung?

Tim: Ich glaube, dass der key, einfach die Mischung an unseren Musikstilen ist und einfach das Authentische dahinter.

Arne: Ich glaube bei uns kommt einfach so viel zusammen. Jeder hat andere Vorstellungen, was manchmal auch super anstrengend ist, weil alle natürlich zufrieden sein müssen, wenn es um neue Songs geht. Meistens ist es auch so, dass wenn ich zum Beispiel eine neue Idee habe, wird die selten genauso auch umgesetzt. Jeder bringt dann noch etwas mit rein und schlägt eigene Ideen vor. Ich glaube so ist es einfach garantiert, dass die Songs nicht „generic“ klingen, was die Authentizität ausmacht.

Wenn ihr mögt, können wir gerne mal einen kleinen „deep dive“ zu zwei Tracks der EP machen. Ich habe mir Likeyou (I can´t let go) und Dreamingboutyou ausgesucht. Erzählt gerne einfach mal alles über den kreativen Prozess der beiden Songs.

Arne: Die Idee zu Dreamingboutyou bestand schon relativ lange, aber der Song hat sich mit der Zeit zweimal komplett verändert. Vor ungefähr vier Jahren bin ich morgens aufgewacht und wollte unbedingt was in Richtung Motown machen, weil ich mir da am Abend vorher etwas zu angeschaut hatte. Dann habe ich eine kurze Demo zusammen gebastelt. Die habe ich dann der Band geschickt, das ist dann aber in Vergessenheit geraten.

Ein paar Jahre später hatte dann unser Keyboarder einen Song aufgenommen, wo er dann meine Demo genommen hatte. Er hat dann aber sein eigenes Ding raus gemacht. Dann haben wir die Grundidee und Melodie von Jan übernommen und den Track dann in der Probenwoche ein bisschen an unsere neuere Sound Vorstellung angepasst. Vorher war der Song etwas schneller und wir haben dann diese sehr smoothe und ruhige Variante draus gemacht. Ich glaube, das hat dem Song sehr gut getan hat.

Tim: Die Texte von den beiden Songs hatte ich schon fertig, bevor wir ins Studio gegangen sind. Von den anderen aber noch nicht.  Irgendwie scheinen die beiden also ein bisschen zusammenzuhängen. Bei Dreamingboutyou ist ein bisschen die Grundidee der EP entstanden und in welche Richtung es gehen sollte. Die Thematik der EP ist ja diese Beziehung auf den verschiedenen Ebenen darzustellen. Gerade zu Corona Zeiten war das Gefühl der Einsamkeit nicht selten, da man auch einfach wenig neue Leute kennengelernt hat. Dieser Vibe kam als wir die EP gemacht haben auch mit rein. Also auch bei der Entstehung der Songs. Dieses Gefühl, dass man durch den Mangel neue Leute kennenzulernen auch einfach viel reflektiert.

Zum Beispiel über die Menschen, die man kennengelernt hat, die noch Teil des eigenen Lebens darstellen. Oder Leute, die sich in letzter Zeit mehr entfernt haben, wo man Gefühle entwickelt hatte, die dann aber schon wieder weg gewesen sind. Oder wie sich Gefühle für eine Person wieder entwickeln, zu der man schon mal Gefühle hatte. Diese Gefühle werden aber nicht aufgrund neuer Ereignisse entfacht, sondern aus alten Erinnerungen. Dieses Weiterspinnen im Kopf, das „Dreaming bout you“, war also die Idee dahinter. Das war der erste Prozess, der mir in den Kopf gekommen ist, als wir die Songs geschrieben haben. Daraus hat sich dann die ganze EP entwickelt.

Im Kontrast dazu steht Likeyou. Das ist auf jeden Fall der intimste Song. Es sind einfach nur Jan und ich, die den Song performen. Den Song hat auch Ruben, unser Saxophonist geschrieben, und hat mit der Melodie ein persönliches Thema verarbeitet. Das hatte er mir aber zunächst nicht gesagt und ich habe dann den Text unabhängig davon geschrieben. Deshalb hat der Track für uns alle eine sehr emotionale Ebene. Obwohl gar nicht alle in dem Song mitspielen, ist da trotzdem ein Gefühl, dass alle den Song irgendwie spielen.

In dem Song geht es inhaltlich um die ganzen verschiedenen Ebenen dieser Beziehung. Mit dem durchgehenden Motiv, dass man Gefühle für die andere Person empfindet, die aber gerade nicht erwidert werden. Und umgekehrt, dass die Person Gefühle für einen selber entwickelt, man sie aber gerade nicht erwidert. Bei Likeyou steckt also diese Erkenntnis dahinter, dass man einfach nicht ganz loslassen kann von dieser Person. Man hat einfach zu starke romantische Gefühle für sie entwickelt.

„Overthinking“ ist bei euch ja auch ein großes Thema. Was hilft euch dabei zurück zum Moment zu kehren und sich nicht in den eigenen Gedanken zu verlieren?

Tim: Ich rede oft mit vielen Freund:innen darüber. Da merke ich dann häufig, dass ich damit nicht alleine bin. Es ist aber auch eine super spannende Art sich mit den eigenen Struggles auseinanderzusetzen, gerade in Bezug auf overthinking, wenn man darüber Songs schreibt. Wenn man dann versucht das, was man gerade fühlt zu Papier zu bringen. Gerade auch in verschiedenen Songs und nicht nur in Balladen. Sondern so eine Thematik auch in Feelgood Songs aufzugreifen. Um sich damit selber wieder abzuholen. Dann ist es natürlich auch super schön Feedback von Leuten zu bekommen, die sagen, dass sie sich selber erkennen können.

Arne: Ich finde auch, dass es einfach ein guter Mechanismus ist damit umzugehen. Es einfach mal rauszulassen oder irgendwem zu erzählen. Dann hat man direkt eine andere Perspektive. Wir reden auch einfach untereinander viel über diese Themen. Das hilft einfach sehr!

Also kann man festhalten, dass sich einfach mal alles von der Seele zu schreiben hilft?

Tim: Definitiv! Musikschreiben ist für uns Seelsorge. Einfach weil man dann ja automatisch alles teilt.

Ganz offensichtliche Frage: Wie kam es zum Namen eurer neuen EP?

Tim: Das war auch ein längerer Prozess. Es war schwierig für uns zu entscheiden, wie man am besten das Thema der Songs zusammenfasst. Zunächst habe ich dann einfach sehr viel darüber geschrieben, wie ich die Themen am besten zusammenfassen würde. Habe dann auch ein Gedicht geschrieben. Das ist auch auf der Vinyl gedruckt. So wollte ich mich dann ein bisschen herantasten und dieses Gefühl, sich immer wieder zu verpassen, festhalten.

Dieses Gefühl wollte ich einfach in einer Aussage festhalten. Gerade wenn man ein Gespräch mit einer anderen Person führt bleiben ja häufig einzelne Wortfetzen viel krasser hängen. Über die denkt man dann noch Wochen später nach. Genau auf so einer Ebene ist der Titel der EP auch gemeint. Ich stelle mir das so vor, dass sich innerhalb dieser EP-Geschichte die eine Person das zu der anderen sagt.

Für mich strahlt die EP viel Wärme aus. Wie würdet ihr den Vibe der Platte beschreiben?

Arne: Wärme trifft es ganz gut. Ich finde die Songs haben so eine Wärme an sich. Irgendwie weich und organisch. So fühle ich die Songs auch. Sie geben ein bisschen, wenn man nicht auf den Text achtet, Geborgenheit. Und da finde ich es auch sehr gut, dass die Texte dann nochmal eine andere Ebene öffnen.

Tim: Das Thema wird ja auch lyrisch aufgegriffen. Das man Sehnsucht nach dieser Wärme hat.

Auf der EP habt ihr es geschafft traurige Themen in ein warmes und fröhliches musikalisches Gewand zu verpacken. Was war der Gedanke hinter dieser Idee?

Tim: Ich finde es einfach ein wahnsinnig spannendes und witziges Mittel diese Sachen so zu kommunizieren und Themen so zu verarbeiten. Gerade dieser Kontrast traurige und deepe Themen in ein helles Gewand zu verpacken macht nicht nur musikalisch Spaß. Ich finde das bringt einfach eine ganz eigene Stärke mit sich. Alle Themen auf der EP sind ernstzunehmende struggles, aber sagen auch gleichzeitig, dass man alles nicht zu ernst nehmen sollte. Sich also ständig auch selber hinterfragen sollte. Obwohl es deepe Themen sind, wollen wir dieses Gefühl von Euphorie mitgeben. Diese Thematik in der Musik finde ich zu euphorischen Sounds sogar noch besser.

Letze Frage: Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Tim: Mit den beiden EPs auf einer Vinyl, haben wir das „erste große Kapitel“ jetzt abgeschlossen. Im Moment schreiben wir schon wieder super viele neue Sachen und sind einfach sehr guter Dinge und euphorisch. Ansonsten legen wir den Fokus aufs Livespielen und Schreiben.

Vielen lieben Dank für das schöne Interview!

Hört euch die neue EP von FORWARD auf Spotify an:

Artwork: Julius Bracke

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