Die Stockholmer Indierock Band Shout Out Louds hat seit ihrer Gründung im Jahre 2001 sechs Alben rausgebracht. Im April gehen sie nun in Schweden und Deutschland auf Tour, bei der sie alle Songs ihres erfolgsgekrönten Debütalbums Howl Howl Gaff Gaff spielen werden. Kurz vor Beginn der ausverkauften Tournee veröffentlichen Adam Olenius, Ted Malmros, Carl von Arbin und Bebban Stenborg am 5.4. außerdem die Howl Howl Gaff Gaff (Revisited) EP mit neu arrangierten Versionen von The Comeback, Please Please Please, Very Loud, 100° und Hurry Up Let’s Go. Vorab durfte ich ein Zoom-Interview mit dem Sänger der Shout Out Louds auf Englisch führen, während er sich in seinem kleinen Tonstudio befand. Es war das erste Interview, das Frontmann Adam seit zwei Jahren gab.
Wie würdest du die Howl Howl Gaff Gaff EP in wenigen Worten beschreiben?
Es fühlt sich so an, als ob wir dem ursprünglichen Projekt eine Menge frischen Wind eingehaucht hätten. Es wird auf diese Weise noch einmal aufgewertet. Stell dir vor, man würde einen alten Sarg öffnen und den Staub wegblasen.
Welcher der Songs hat sich am meisten verändert?
Die neue Version von Hurry Up Let’s Go unterscheidet sich sehr vom Original. Die ursprüngliche Version ist superschnell und klingt fast so, als ob man einen Herzinfarkt hätte. Es ist, als würde man einen Marathon laufen und dann versuchen, ihn zu singen. Wir beschlossen, den Song stark abzuändern und haben die Stimme der schwedischen Künstlerin Sibelle Attar in den Song integriert. Sie hat eine wunderschöne Stimme.
Wie würdest du die Aufnahmebedingungen von damals mit denen von heute vergleichen?
Da es 20 Jahre her ist, hat sich die Technik sehr verändert. Man brauchte früher große Studios, wenn man einen lauten Sound und Halleffekte erzeugen wollte. Ich mag Plug-ins, aber wenn wir damals das Schlagzeug prominent klingen lassen wollten, mussten wir einen großen Raum mieten, um die Echokammer zu benutzen.
Das Tonstudio, in dem wir die neuen Versionen aufgenommen haben, ist nur fünf Minuten von meinem Studio hier entfernt. Wir haben mit Frederik Swahn gearbeitet, der auch die Platte Ease My Mind produziert hat, die vor ein paar Jahren herauskam. Er ist sehr gut darin, Dinge mit kleinen Mitteln ganz groß klingen zu lassen und hat ein Faible für Mellotron, Geigen und Symphonien usw. Auf der Revisited EP wollten wir den Sound vom Album Ease My Mind wieder aufgreifen. Das Studio ist klein, aber ich liebe Swahns Equipment. Seine Ausstattung ist alt, dennoch konnten wir einfach und schnell arbeiten. Es bot sich an, dort zu aufzunehmen, denn wir hatten einen wirklich engen Zeitplan.
Welche Version der Songs werdet ihr auf der Tour im April spielen?
Das Album spielen wir von Anfang bis Ende mit seinen Originalversionen, dennoch werden wir es ein bisschen anders arrangieren. Wir bringen eine leicht andere Dynamik in die Songs. Eine Platte und ein Livekonzert unterscheiden sich stark. Ich liebe die Idee, das ganze Album spielen zu können, weil es mir immer schwerfällt, eine Setlist zu erstellen. Es ist großartig, dass ich nun einfach auf die Rückseite des Albums schauen kann und die Setlist habe. Wir werden dem Original so treu wie möglich bleiben, weil wir es für Fans spielen, die die alten Songs hören wollen. Jeden Abend werden wir andere Zugaben geben. Ich sehe das Ganze als Experiment oder als Möglichkeit, ein wenig in der Zeit zurückzugehen. Das macht es für uns interessant.
The Comeback war der erste Song, den ihr als Band geschrieben habt. Kannst du dich auch an die ersten Zeilen erinnern, die du je geschrieben hast?
Ich hatte eine Band mit einem Freund. Wir waren zwei Gitarristen und wir coverten Beatles-Songs. Ich besaß dieses alte Buch mit dem Titel Beatles For Easy Guitar. Mithilfe des Buches kann man ganz einfach lernen, Beatles-Songs zu spielen und so habe ich mir das Gitarrenspiel beigebracht. Eines Tages sahen ich und mein Freund uns Zeichentrickfilme im Fernsehen an. Wir müssen etwa 12 Jahre gewesen sein und es liefen die Peanuts. Snoopy durfte nicht mit dem Bus fahren, weil er ein Hund war. Also schrieben wir einen Song namens No Dogs Allowed. Das war mein erster Text. Es klang wie ein Kinderlied und hatte nur drei Akkorde, aber das Ganze war irgendwie lustig. Wir sind immer noch befreundet, aber mein damaliger Bandkollege hat nichts mehr mit Musik am Hut.
Was magst du am Touren und gibt es Aspekte, die du am Touren nicht leiden kannst?
Ich liebe es zu touren, weil ich mit meinen besten Freunden reisen kann. Wir mögen es sehr zu reisen und neues Essen zu kosten. Es macht immer noch Spaß, neue Orte zu erkunden. Allerdings mag ich es nicht, wenn ich morgens früh aufstehen muss.
Früher hatte ich Angst vorm Fliegen. Als wir in Amerika auf Tour waren, sind wir oft geflogen. Ich habe mich daher über Flugzeuge wie Airbus, Boeing und all die anderen verschiedenen Modelle informiert. Das war meine Art, meine Flugangst loszuwerden. Ich wurde eine Flugzeug-Nerd.
Wenn man eine lange Tournee macht, vermisst man die Familie zu Hause, aber das Touren hat so viele gute Seiten.
Habt ihr als Band jemals darüber nachgedacht, in ein anderes Land zu ziehen?
In Deutschland waren wir als Band viel, aber es ist so nah, dass es in Ordnung ist, dorthin zu reisen. Wir lieben Deutschland, weil es so viele unterschiedliche Städte gibt und das Publikum wirklich großartig ist. Ich habe Monate in Berlin verbracht. Städte wie Berlin, München und Leipzig sind wunderbar.
Als wir anfingen, haben wir bei Capitol Records in Los Angeles unterschrieben und sie wollten, dass wir für ein Jahr oder sechs Monate dort leben, weil wir jeden Samstag im selben Club spielen sollten. Sie nennen es Residency. Wir hätten beinahe ein Haus gemietet, um dort zusammen zu leben. Das hätte eine Menge Spaß gemacht.
Am Anfang waren wir aber einfach so sehr indie, dass wir unbedingt zu Hause Musik machen wollten, damit unser Sound nach Stockholm klingt. Es war das oberste Ziel, unsere Integrität zu bewahren und wir waren zu sehr darauf bedacht, wie wir Dinge machen wollten, anstatt einfach nur zu genießen.
Was sind die Inspirationsquellen für eure Musik?
Ich kann mich von Geschichten, Liedtexten, Kinofilmen oder vom Fernsehen inspirieren lassen. Wenn ich Musik schreibe, sehe ich die Musik immer in Bildern und Fotos. Ich gehe gerne in Bars, denn ich mag es, mich mit Leuten zu treffen und neue Menschen kennenzulernen. Auf dem Heimweg nehme ich manchmal meine neuen Eindrücke mit dem Handy auf. Es kann aber auch eine Stimmung sein, die mich inspiriert.
Wie erklärst du dir, dass ihr als Band immer noch gut harmoniert?
Wir haben das Glück, dass wir immer noch so gerne miteinander Zeit verbringen.
Bei uns gibt es einen bestimmten Rhythmus. Erst produzieren wir ein Album, dann touren wir zusammen und danach versuchen wir, etwas anderes zu machen wie beispielsweise ins Ausland zu gehen. Ich habe viel Zeit in Australien verbracht, wo ich meine Freundin kennengelernt habe.
Zwischen den Alben lassen wir uns Zeit. Wenn wir immer sieben Monate im Jahr spielen würden, wie wir es am Anfang getan haben, wären wir wahrscheinlich keine Band mehr. Wir versuchen, einen guten Zeitplan zu erstellen und aufeinander zu hören. Jeder darf sagen, wann er ich nicht auf Tour gehen will.
Ein wichtiger Faktor ist aber auch, dass wir bereits Freunde waren, bevor wir die Band gegründet haben. Das hat uns sehr geholfen.
Mit welchem Künstler würdest du gerne die Bühne teilen, wenn du die Chance hättest?
Mit Nick Cave. Ich bin noch nicht so lange Fan. Seine letzten 3 oder 4 Alben waren sehr aufregend. Ich würde gerne ein paar Songs mit ihm performen.
Gibt es verrückte Fangeschichten?
Wir haben eigentlich keine völlig verrückten Geschichten erlebt. Aber neulich habe ich mich mit einem Freund unterhalten und wir sprachen über die Tournee in Südamerika. Die Leute dort haben unsere Klamotten aus dem Backstage-Raum mitgenommen, zum Beispiel meine Mütze. Sie wollten eine Erinnerung haben. Ich hatte allerdings nicht viele warme Sachen dabei und es war ziemlich kalt. Als ich zur Bar ging, kam einmal ein Fan auf mich zu und sprach mich an. Er war freundlich und erzählte, wie sehr ihm unsere Musik gefiel. Nach einer Weile sah ich, dass er die einzige Strickjacke, die ich dabeihatte, trug. Es war ein peinlicher und seltsamer Moment für uns beide, als ich ihm sagte: „Vielen Dank, dass du unsere Musik magst, aber ich brauche meine Strickjacke zurück, weil ich friere.“
Wir habe eine Menge gute Erfahrungen gemacht. Viele Fans kommen wieder und wieder zu unseren Shows. Für mich ist es erstaunlich, dass so viele Leute uns unterstützen.
Arbeitet ihr bereits an neuer Musik?
Um ehrlich zu sein, haben wir im Moment kein neues Material. Ich arbeite an einem Soloprojekt, das vielleicht auf Schwedisch erscheint.
Die Jubiläumstour ist eine willkommene Abwechslung. Es macht immer Spaß, wenn wir zusammenspielen. Ich denke, es ist ein guter Weg, um die Band wieder zusammenzubringen und dann an neuem Material zu arbeiten. Wir werden mit Howl Howl Gaff Gaff in Deutschland und Schweden touren. In Mannheim spielen wir vor den Cardigans. Außerdem sind wir vermutlich in Italien sowie Spanien und es interessieren sich noch mehr Länder für die Jubiläumstournee. Jede Woche kommen weitere Termine hinzu. Im Moment lassen wir uns treiben. Vielleicht kommen noch ein paar andere Städte in Deutschland im Herbst hinzu, aber wir würden dann lieber in kleinen Clubs touren. Es macht Spaß, intim zu sein wie in den alten Tagen.
Hast du Kontakt zu anderen Musikern aus der Indie-Szene in Stockholm?
Es gibt aktuell viel Popmusik in Schweden, aber in der Indie-Szene ist im Moment kaum was los. Mein Freund Anders spielt in der Band The Deputies aus Nordschweden. Wir machen eine Menge Projekte zusammen. Ich habe viele andere Künstlerfreunde, aber im Moment gibt es wenig Zusammenarbeit.
Wie würdest die einzelnen Charaktere in der Band beschreiben?
Das ist keine einfache Frage. Ich würde sagen, ich bin der Bandleader. Der böse Diktator sozusagen. Im Moment führe ich das Schiff. Ich habe an den Aufnahmen für die EP größtenteils allein gearbeitet, weil die anderen mit ihren eigenen Sachen beschäftigt waren.
Ted, unser Bassist, ist der Motor der Band und er bringt uns zusammen. Er ist jetzt schon seit eineinhalb Jahren in Südafrika. Wenn er auf Reisen ist, treffen wir uns nicht oft, um zu proben.
Carl an der Gitarre ist ein bisschen wie Goofy. Er ist auch eine Art musikalischer Filter, wenn ich zu viele Ideen habe. Im Moment ist er mit dem Fahrrad in Spanien unterwegs.
Bebban am Keyboard ist eine begabte Autorin. Sie schreibt eine Menge Geschichten und ist sehr politisch. Vor ein paar Jahren hat sie ein Buch mit Gedichten herausgebracht. Doch gerade ist sie ein bisschen in ihrer eigenen Welt.
Wie geht das Songwriting bei euch vonstatten?
Ich schreibe 80 % der Texte, aber normalerweise gehe ich sie mit Bebban durch. Sie hilft mir und kann mich in verschiedene Richtungen lenken. Zudem hat sie ein sehr gutes Vokabular. Bebban schreibt meist längere Stücke, deren Kern ich dann zusammenfasse.
Ich mache diesen Job schon seit über 20 Jahren. Manche Wörter sind auf dem Papier schön zu lesen, aber sie funktionieren nicht, wenn man sie singt. Normalerweise arbeite ich viel mit Gefühlen. Darüber diskutieren Bebban und ich häufig, was mir sehr hilft.
Carl bringt sich viel mit Gitarrenriffs und Melodien ein. Ich sammle alles und denke mir Arrangements aus. Manchmal mache ich auch Demoaufnahmen, die ich den anderen schicke oder ihnen vorspiele. Häufig sitzen wir auch im Proberaum und spielen denselben Song immer wieder und jeder fügt seine Ideen sukzessiv hinzu.
Wer wird der Schlagzeuger auf eurer Jubiläumstournee sein?
Eric Edman macht die Tour mit uns. Das wird ein Spaß. Er ist seit etwa 12 Jahren nicht mehr fest in der Band. Seit dem Album Optica sind wir nur noch zu viert.
In der Zwischenzeit hatten wir vier Schlagzeuger, allesamt Schweden, die auch mit verschiedenen anderen Künstlern auf Tournee waren. Der Schlagzeuger Lars Skoglund, der nach Erics Ausstieg auf fast auf jedem Album mitspielte, arbeitet auch mit Lykke Li und anderen schwedischen Künstlern. Er ist ein erfolgreicher Jazz-Schlagzeuger.
Gibt es eine Frage, die du während eines Interviews gerne gestellt bekommen würdest, welche aber bisher nicht kam?
Journalisten fragen mich nie nach Essen. Ich schaue viele Kochshows. In letzter Zeit koche ich bevorzugt Spaghetti Vongole. Das ist eine Muschelpasta.
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Titelbild: Shout Out Louds
Sehr interessant und ausführlich.Ganz schön viel Arbeit,das alles zu übersetzen!Well done !