Interview // Dayglow – Harmony House

Interview // Dayglow – Harmony House
Dayglow - Foto: Pooneh Ghana

Bereits 2018 erregte Sloan Struble aka Dayglow international Aufmerksamkeit mit seinem Debütalbum Fuzzybrain. Am 21.5. veröffentlichte der 21-jährige Texaner nun sein zweites, alle Erwartungen übertreffendes Album Harmony House mit elf selbst geschriebenen und eigens produzierten Songs. Die Platte über das Erwachsenwerden ist stark beeinflusst vom Softrock der späten 70er sowie von der Popmusik der 80er. Auch das zuletzt erschienene Video zur funkigen Single Medicine im quietschbunten Retrostil verkörpert diese Nostalgie. Harmony House ist die geballte Ladung an eingängigen, auf Synthesizern basierten Songs. Dayglow begeistert nicht nur mit tanzbaren Gute-Laune-Hits wie Something, Medicine und unserem Favorit Close to You, er stimmt auch immer wieder verträumte, aber dennoch zuversichtliche Töne wie zum Beispiel in Woah Man oder Strangers an. Seid gespannt auf unser Interview, denn wir haben Dayglow per Zoom so manches Geheimnis über sich und Harmony House entlockt. Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.

Sloan, woher kommt das Pseudonym Dayglow und hat es eine tiefere Bedeutung?

Ich neige dazu, zu lange über Dinge nachzudenken, aber beim Bandnamen wollte ich dies vermeiden und deshalb habe ich die Band beim Musikhören einfach nach dem Song Day Glo von Brazos benannt, wobei ich die Schreibweise etwas angepasst habe.

Inwiefern hat sich dein Leben seit der Veröffentlichung des Hits Can I Call You Tonight von deinem ersten Album Fuzzybrain im Jahr 2018 verändert?

Mein Leben hat sich komplett verändert. Alles ging so schnell. Ich hätte mir nie erträumt, Interviews mit deutschen Redakteuren zu führen. Es ist eine wunderbare Erfahrung und ich bin sehr dankbar für das Interesse an meiner aus meinem Zimmer heraus produzierten Musik.

Welche musikalische Entwicklung hast du seit Fuzzybrain durchlebt?

Harmony House war eine ehrgeizige Herausforderung für mich, aber die Produktion des Albums hat viel Spaß gemacht. Ich wollte, dass das Album ganz anders als Fuzzybrain wird. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Es ist ermutigend, positive Resonanz zu bekommen. Fuzzybrain habe ich produziert, als ich 17 beziehungsweise 18 war, und jetzt bin ich 21. Ich bin sowohl als Person als auch als Musiker gereift. Da ich alles komplett allein produziere, habe ich meine technischen Fähigkeiten ausgebaut, vor allem beim Mixen habe ich große Fortschritte gemacht. Der Song Crying on the Dancefloor ist mein Favorit hinsichtlich des Sounds. Der Hauptunterschied ist, dass ich Harmony House akustisch durch und durch an die Popmusik der 80er und 70er angelehnt habe. Auf dem Album Fuzzybrain kann man diese Einflüsse noch nicht so stark heraushören.

In welchem Ausmaß hat Corona deine Arbeit an Harmony House beeinflusst? War es eine harte Zeit für dich?

Ironischerweise habe ich mir bereits, bevor ich den Ausbruch der Pandemie erahnen konnte, Quarantäne auferlegt, weil ich das Album vor meiner einjährigen Tournee fertigstellen wollte. Dank Corona hatte ich dann zusätzlich Zeit, um intensiv am Album zu arbeiten und es zu mischen.

Die Songs für Harmony House hatte ich schon vor Corona geschrieben, aber es hat viel Zeit in Anspruch genommen, das Album zu überarbeiten. Nur das Lied December habe ich erst während der Pandemie geschrieben.

Während Corona konnte ich eigentlich genau mit dem weitermachen, was ich angefangen hatte, nämlich mit dem Produzieren in meinem Zimmer. Es war dennoch merkwürdig, dass meine Pläne für das kommende Jahr völlig über den Haufen geworfen wurden, vor allem, weil ich auch körperlich trainiert hatte in Hinblick auf die einjährige Tournee.

Harmony House dient als Soundtrack für eine imaginäre 80er Sitcom und auch Musikvideos wie das von Medicine sind stark von diesem Jahrzehnt inspiriert. Wieso genau hast du die 80er-Jahre und kein anderes Jahrzehnt gewählt? Hatten deine Eltern einen großen Einfluss auf deinen jetzigen Musikgeschmack?

Ich liebe die Musik der 80er einfach. Wenn man sich durch die Popmusik der 80er hört, kann man sehr viele Entdeckungen machen. Die damaligen Musiker waren sehr künstlerisch und die beliebtesten Bands waren jene, die Verrücktes und Schräges wagten. Zurückblickend gab es damals musikalisch so viel Neues, all die Synthesizer. MTV war zudem auf dem Vormarsch, sodass die Bands nun auch sichtbar wurden. Es hat mir viel Spaß gemacht, mich im Internet auf eine Entdeckungsreise zu begeben. Wenn du heute etwas Provokatives machst, ist es im Gegensatz zu damals nicht mehr neu.

Mein Vater hat während seiner Jugend viel James Taylor gehört und auch ich liebe diesen Musiker. Dennoch haben meine Eltern mich musikalisch nicht zu sehr beeinflusst. Sie haben mir keine Platten zum Durchhören in die Hand gedrückt.

Die Videos zu Woah Man und Something sind sehr kunstvoll, hast du sie auch alleine produziert?

Nein, ich liebe es zwar, Videos und visuelle Kunst zu machen, aber es nimmt zu viel Zeit in Anspruch, die ich während der Albumproduktion nicht entbehren konnte. Ich habe schnell bemerkt, dass man für Videos ein Team braucht. Das Video zu Something ist zusammen mit einem Ehepaar, dem Computer Team aus Portland entstanden und das Video Woah Man wurde von einem Freund unter meiner kreativen Anleitung animiert.

Harmony House ist ein Album über den Prozess des Erwachsenwerdens. Spielen deine Eltern eine große Rolle in deinem Leben?

Ich lebe in meinem eigenen Haus in Austin und meine Familie in Fort Worth, aber ich sehe sie ständig. Erst gestern hatte ich mit ACL Austin ein Livestream- Event, bei dem meine Eltern anwesend waren.

Songs wie Close to You und Medicine haben einen funky Sound, der zum Tanzen animiert. Gehst du gerne tanzen und feiern? Welche anderen Hobbys hast du abgesehen von der Musik?

Wenn ich tanzbare Musik produziere, ist das für mich so, als würde ich in die Disko gehen. Ich war nie der Partygänger. Ich glaube, ich bin eher eine introvertierte Person, aber dennoch liebe ich es aufzutreten und Menschen auf Konzerten eine wunderbare Zeit zu ermöglichen.

Momentan koche ich viel. Ich verbringe außerdem gerne Zeit in der Natur und mache Wanderungen oder Spaziergänge.

Nach deiner Nordamerikatour wirst du nächstes Jahr auch durch Europa touren. Bevorzugst du es Musik zu produzieren oder auf der Bühne zu stehen?

Das ist eine schwierige Frage. Es sind einfach zwei verschiedene Dinge. Das Produzieren von Musik ist sehr persönlich. Die komplette Musik reift allein in meinen Gedanken. Auf der Bühne stehe ich mit einer Liveband, in der vier Freunde von mir spielen. Die Band ist so zusagen eine Coverband des Albums. Es ist ein großes Vergnügen, live zu spielen. Neben dem Singen spiele ich auf der Bühne Gitarre und Klavier. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen beiden Dingen würde ich wahrscheinlich das Performen wählen, auch wenn mir beides sehr viel Spaß macht.

Was wäre dein Plan B im Leben gewesen?

Ich war ein Jahr lang Student an der UT Austin im Bereich Marketing und deshalb lebe ich jetzt auch in Austin. Bestimmt wäre ich trotz allem in irgendeiner Form in der Musikbranche gelandet. Aber ich bin froh darüber, dass alles so kam wie es kam.

Du hast kürzlich ein Interview mit dem Indie-Newcomer Alfie Templeman geführt und es online hochgeladen. Wirst du dieses Konzept mit anderen aktuellen Musikern weiterführen und welches ist deine moderne Lieblingsband?

Ja, ich beginne gerade damit und Alfie war nur der Anfang. Mein Ziel ist es, mit Künstlern auf der ganzen Welt zu sprechen. Ich habe schon weitere spannende Interviews geführt, die nur noch nicht veröffentlicht wurden. Mehr kann ich gerade noch nicht verraten, aber es geht bald weiter.

Ich mag die australische Band Parcels, die jetzt in Berlin lebt, gerade sehr.

Die Songs auf Harmony House sind sehr persönlich. Gibt es einen Song, der ein großes unbekanntes Geheimnis von dir lüftet?

Meine Songs sind einerseits autobiografisch, aber gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Hörer die Texte auf ihre eigene Art und Weise interpretieren. Nicht alles, was in den Liedtexten steht, ist komplett wahr.

Es gibt einige unverblümte Momente auf Harmony House. Ich wollte das Gefühl erzeugen, dass ich zu einem Freund spreche oder anders ausgedrückt, dass beim Hörer der Eindruck entsteht, dass er mich zu sich sprechen hört.

Sehr persönliche Einblicke geben neben Like Ivy die Songs Woah Man und December.

Was sind deine weiteren Zukunftspläne?

Ich hoffe, dass ich bald wieder große Shows spielen kann. Es ist mir wichtig, eine unmittelbare Resonanz von meinen Fans zu bekommen. Ich werde natürlich auch weiter an neuer Musik arbeiten, denn ich möchte definitiv noch einige Alben rausbringen.

Harmony House

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Titelbild: Pooneh Ghana

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