Auf eine längere Funkstille rund um die Indie-Band folgt nun eine Platte nach der anderen. Zuletzt haben wir mit Razz gesprochen als sie kurz vor dem Release ihrer EP Might Delete Later standen. Jetzt stehen sie erneut kurz vor einem Release. Dieses Mal handelt es sich dabei allerdings um ihr drittes Studioalbum, das am 15. Juli unter dem Titel Everything You Will Ever Need erscheinen wird. Wir durften bereits reinhören und können sagen: In fast zehn Jahren Band-Geschichte sind nicht nur Razz selbst, sondern auch ihr Sound gereift. Wir haben Sänger Niklas Keiser nun wieder zum Interview getroffen und mit ihm über alles mögliche von persönlichen Trennungssongs bis Einhörnern gesprochen. Was er uns dazu so erzählt hat, erfahrt ihr jetzt hier!
Hi Niklas! Wie war dein Tag?
Ganz gut, danke! Ich hab noch ein Nickerchen gemacht (lacht). Dann hab ich noch Stranger Things geguckt, hänge aber immer noch hinterher. Lukas und so haben’s alle schon direkt am ersten Tag geschaut. Sonst stehen heute nur noch ein paar Interviews an.
Als wir das letzte Mal über Musik gequatscht haben, standet ihr kurz vor dem Release eurer EP Might Delete Later. Jetzt kommt bald euer neues Album raus. Erzähl uns doch mal vom Entstehungsprozess!
Tatsächlich haben wir das Album so ziemlich im gleichen Zug wie die EP aufgenommen. Es war aber ganz gut, dass wir dann noch ein bisschen Zeit hatten, nachdem wir uns wieder musikalisch gefunden haben, was ich ja glaube ich beim letzten Interview schon erwähnt habe. Dementsprechend lief alles beim Album viel flüssiger. Wir waren dann alle paar Monate im Studio und haben die neuen Songs aufgenommen. Was uns auch bei der EP gefehlt hat, uns aber jetzt ultra gut getan hat, war das Live-Spielen. Das war auf jeden Fall ein ordentlicher Mood-Booster. Durch Corona haben wir es auch wieder richtig wertgeschätzt und noch mehr genossen, auf der Bühne stehen zu können. Ich glaube, das tat uns allen und tut auch generell allen Musiker*innen gut. Man hat so viel mehr davon, wenn man auch live spielt. Zum Beispiel ist ein Song ganz besonders gut angekommen – Rome.
Den fanden wir auch mega gut live! Ihr habt jetzt ja auch auf dem Album einige intimere Songs, wie beispielsweise Since. Wie ist das, wenn es nicht mehr nur fiktive Themen sind, sondern es um einen selbst geht?
Das Album ist generell sehr viel introvertierter als die EP, die eher extravertiert ist. Ich versuche immer, Lyrics nicht zu hundert Prozent persönlich zu schreiben. Es fließt aber natürlich immer etwas von mir mit ein, dieses Mal vor allem von meiner Stimmung während Corona. Gleichzeitig sind voll viele Songs auch Trennungssongs. Aber selbst wenn es nur ein Hauch von Fiktion ist, versuche ich, das beizubehalten. Ich finde das immer ganz schön, weil ich mir damit auch eine gewisse Freiheit erlaube und es letztendlich immer noch ein lyrisches Ich ist. Vielleicht ist das auch so ein bisschen ein Schutzmechanismus. Nichtsdestotrotz ist das Album sehr persönlich. Da ist auf jeden Fall sehr viel Herzblut reingeflossen.
Was ist das für ein Gefühl, wenn Leute dann wissen, dass das auch durchaus persönlich ist, über das du da singst?
Mir hilft es teilweise voll, wenn ich mich beim Live-Spielen nochmal an den Moment zurückerinnern kann, in dem ich den Song geschrieben habe. Das macht es auch super schön, den dann auf der Bühne präsentieren zu können. Auch wenn andere Songs manchmal eher fiktiv sind, ist das Grundgefühl immer von etwas, das ich erlebt habe. Es ist aber schon nochmal was anderes, wenn man sich so genau an den Moment zurückerinnern kann, weil es sich so eingebrannt hat. Bei Since beispielsweise weiß ich noch, wie ich mit dieser Akkord-Folge bei mir zu Hause in der Küche saß. Da habe ich auch den Text geschrieben und ich weiß noch, dass ich da auf jeden Fall weniger gut drauf war (lacht).
Nachdem eure Tour verschoben werden musste, hat die ja jetzt endlich stattfinden können. Gab es da ein paar Highlights, von denen du erzählen magst?
Also auf der Bühne gibt’s immer wieder Städte, die einen überraschen. Mega abgefahren war es diesmal zum Beispiel in Frankfurt. Wir haben zwar vorher schonmal da gespielt und es war auch cool, aber dieses Mal hat es nochmal alles übertroffen. Die sind alle komplett abgegangen und wir waren eher noch kaputt von der Fahrt davor. Da war es so, dass Frankfurt uns dann abgeholt hat und nicht umgekehrt, so wie es sonst manchmal ist. Ansonsten gab es auch noch einen Höllenritt, den wir da hinter uns haben. Da sind wir von Zürich nach Wien, haben direkt aufgebaut und gespielt und dann von Wien nach Prag, wo wir dann drei Stunden gepennt haben und dann weiter nach Berlin gefahren sind. Danach war ich erstmal ziemlich ausgeknockt. Das sind so die zwei Sachen, die mir echt im Kopf geblieben sind.
Euer Tourabschluss in Köln war auch ziemlich cool!
Ja, Köln war echt mega gut. Manchmal ist ein Tourabschluss auch ein bisschen lethargisch und vielleicht sind alle nicht mehr so ganz bei der Sache. Dieses Mal war’s aber wirklich komplett anders rum. Köln war auch bei manchen Songs mit die lauteste Stadt, was richtig abgefahren war. Besser hätten wir uns den Tourabschluss glaube ich nicht erträumen können.
Achtet ihr auch drauf, wie die Leute auf neue Songs reagieren? Müssen die den „Live-Test“ dann bestehen?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem zu Beginn der Tour achte ich auf die Dramaturgie des Sets, also wann geht’s hoch, wann geht’s runter. Aber auch darauf, wie die neuen Songs ankommen natürlich. Manchmal kommt das auch darauf an, wie sie platziert sind. Aber da kann man auch schon ein wenig antizipieren, wie die Leute den Song dann finden, wenn er auch in die weite Welt rausgelassen wird. Tatsächlich bin ich aber auch immer so in dem Song oder mit einzelnen Leuten in der Show, dass ich das Gesamtbild gar nicht so abfangen kann. Es ist eher das Feedback der Leute, die mit uns zusammenarbeiten, wie unserem Tontechniker oder der Person am Licht, das einem dann weiterhilft. Die kriegen das ja nochmal auf eine ganz andere Art mit.
Es ist ja auch so, dass ihr jetzt neuerdings in euerem Set Zugaben gebt. Früher fandet ihr die ja immer eher blöd. Was hat sich verändert?
Es hat für uns dieses Mal irgendwie mehr Sinn gemacht, dieses Set nochmal zu unterteilen. Grundsätzlich ist es ja immer so, dass man ein paar ruhige Phasen hat und ein paar Abgeh-Phasen bei unseren Konzerten. Wir haben uns gedacht, wenn wir da eine Pause machen, macht es einfach nochmal mehr Sinn, bevor wir mit Since als erste Zugabe wieder auf die Bühne kommen und mit Like You dann abschließen und die Leute hoffentlich mit einem guten Gefühl nach Hause schicken. Ich tue mich aber immer noch ein bisschen schwer, dieses Zugaben-Ding zu akzeptieren. Auf der einen Seite ist es ganz geil, weil es ja auch eine Show ist, die man da auf der Bühne macht und die Leute ja auch vielleicht nicht nur kommen, um die Songs zu hören. Gleichzeitig finde ich Zugaben immer so vorhersehbar, aber es gehört glaube ich auch einfach dazu. Es hat auch ganz gut funktioniert bei diesem Set und wir haben uns auf jeden Fall wohl damit gefühlt.
Warst du, jetzt wo es wieder möglich ist, auch selbst schon wieder auf Konzerten oder Festivals?
Tatsächlich schon auf einigen. Das letzte, was ich gesehen hab, war Kaytranada im Festsaal Kreuzberg in Berlin. Das war ultra gut und ist mir sehr im Gedächtnis geblieben. Die Rooks habe ich im April noch gesehen, ist schon wieder etwas her.
Ihr habt ja nicht nur neue Musik rausgebracht, sondern auch einen Kurzfilm! Mega coole Idee, sich mal für etwas anderes als die typischen Musikvideos zu entscheiden. Wie kam dazu die Idee und wie habt ihr’s auf die Beine gestellt?
Ich finde Musikvideos immer so ein bisschen schwierig. Diese Corona-Wolke hat irgendwie auch noch über allen geschwebt. Wir wollten diesmal etwas Langlebiges, nicht nur ein Video und dann ist es wieder gegessen. Immer wenn ein neuer Teil kam, war das quasi eine Erweiterung dieses Projekts. Im Oktober haben wir Jen Krause angeschrieben und die hat sich direkt nach ein paar Tagen gemeldet und fand die Idee auch super cool. Ein-zwei Wochen später haben wir uns direkt getroffen und von Oktober bis Dezember an diesem Kurzfilm gearbeitet. Anfangs haben wir das Ganze auch in einer naiven Leichtigkeit ein bisschen unterschätzt, wie viel Arbeit das dann doch ist.
Wie habt ihr die einzelnen Songs dann auf die Episoden aufgeteilt?
Wir hatten vorher schon den Plan, welche Songs wir gerne vor dem Album releasen würden. Dann haben wir das mit Jen abgesprochen und die hatte direkt ein paar Ideen. Zum Beispiel bei der letzten Episode haben wir ein bisschen zwischen Rome und Corner geschwankt und sie hatte dann direkt eine Idee für Corner.
Wenn man sowas Cooles gemacht hat, will man ja auch Werbung dafür machen. Social Media und vor allem TikTok werden da ja immer wichtiger. Ihr habt mittlerweile ja auch einen TikTok-Account. Wie wichtig ist euch da als Band Social Media, auch als Werbetool?
Es gibt da eine super gute Doku, die ein bisschen beleuchtet, wie TikTok mittlerweile die Charts beeinflusst. Das ist echt interessant und gehört mittlerweile einfach dazu. Uns fällt das immer ein bisschen schwer, weil wir wahrscheinlich auch zu nachlässig sind, was Social Media angeht. Wir sollten da wohl viel aktiver sein. Ich persönlich habe gerne auch mal Abstand von Social Media. Egal, ob es Instagram oder TikTok oder sonst was ist. Es ist aber glaube ich mittlerweile einfach zu einer Art Extra-Job geworden, den Musiker*innen da erfüllen müssen. Man ist nicht mehr nur Musiker*in, sondern auch Grafik-Designer, Content Creator…Ich tue mich da ein bisschen schwer mit, das auch umzusetzen, gelobe aber Besserung (lacht).
Ob Niklas lieber Drachen oder Einhörner mag, erfahrt ihr hier:
Die lustige Entweder-Oder-Runde findet ihr übrigens auch bei uns auf TikTok!
Und habt ihr jetzt schon das nächste Projekt im Kopf oder wird sich nach Release erstmal ausgeruht?
Erstmal wird released und dann gibt’s allerdings keine Pause. Wir müssen langsam mal die ganzen Song-Skizzen, die sich so angesammelt haben, ein bisschen ordnen. Wir müssen uns da mal zusammensetzen und schauen, welche Songs allen gefallen und dann muss ich ganz viele Texte schreiben. Mir fällt es immer sehr schwer, Texte zu schreiben, weil ich extrem selbstkritisch bin. Es ist schwer für mich, auch schlechte Texte zuzulassen, was aber ja auch dazugehört. Instrumentals könnte ich wahrscheinlich so zehn am Tag, aber die liegen dann alle rum, weil mir die Texte fehlen (lacht). Also erstmal nach dem Release ganz viele Texte schreiben.
Wir haben letztens nochmal in euer erstes Album reingehört und zwischen damals und heute ist musikalisch ja viel passiert. Was hat sich so für euch verändert?
Also was ja erstmal ganz natürlich ist, ist dass man ja mit 14/15 noch ganz anders denkt als jetzt knapp zehn Jahre später. Songs, die damals entstanden sind, haben einfach andere Themen und auch Einflüsse. Musik, die ich damals gehört habe, ist auch nicht mehr das, was ich jetzt höre. Beim ersten Album war auch immer die erste Referenz, die wir ständig zu hören bekommen haben, Kings of Leon. Vielleicht ist es auch nur, weil ich da von den letzten Releases etwas enttäuscht bin, aber das finde ich mittlerweile eher etwas lahm. Ich hab auch gemerkt, dass ich damals super viel auf der Gitarre geschrieben hab, weshalb das Album auch ein bisschen gitarrenlastiger ist. Jetzt finde ich es eher ganz cool, mehr auf dem Klavier zu schreiben. Ich bin kein wahnsinnig guter Pianist, aber es ist glaube ich manchmal auch ganz gut, wenn man bei einem Instrument nicht genau weiß, was man tut. Das hat zur Folge, dass man etwas leichter an die Sache rangeht.
Und hast du einen Lieblingssong auf dem neuen Album?
Since wäre tatsächlich sehr weit oben. Es gibt Songs, die ich noch lieber mag, aber Since bedeutet mir textlich so viel. Den werde ich mega lange mögen und nicht satthaben. Sonst schwankt es immer so ein bisschen. Ich finde Lost in the Woods schon echt cool, aber jetzt gerade ist es eher zwischen Rome, weil der live ultra Bock gemacht hat und Lately, was auch ein Song ist, der dann mit dem Album erscheint.
Zum Abschluss: Wie habt ihr euch für Everything You Will Ever Need als Albumtitel entschieden?
Das Album ist so ein bisschen eine Richtungsfrage. Wohin geht es im Leben und was fokussiert uns nach dieser Corona-Zeit darauf, was uns persönlich wichtig ist? Es beschreibt also ganz gut eine gewisse Findungsphase. Der Track Everything I’ll Ever Need stand schon relativ früh. Wir haben dann gegrübelt, wie wir das Album nennen wollen und es war dann einfach eher so eine flapsige Idee, es dann Everything You Will Ever Need zu nennen, fast schon provokant und mit einem Augenzwinkern. Es ist auch einfach so weit gefasst. Die Frage war dann halt, was auf’s Album-Cover kommt, bei dem Titel. Man kann ja nicht ein Bild von einem Objekt oder so nehmen, weil man das dann automatisch glorifiziert. Es ging uns eher um den Weg, weshalb da Höhenlinien zu sehen sind. Als Hint auf den Berg und dass es eben mehr um den Weg geht und dass alles, was auf dem Weg passiert, relevanter ist, als ein einziges Objekt oder dergleichen.
Danke Niklas, für das Interview und bis zum nächsten Mal!
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Titelbild: Nils Lucas